Q U E R S P A L T E Wettfieber

■ Zum Medienwirbel um den Gipfel

Mit dem Nicht–, Fast–, Vor– oder Halb– Gipfel haben die Show–Ringer Reagan und Gorbatschow der Welt der Journaille wieder einmal einen Wettkampf versprochen, im Vorfeld dessen sie sich in ausufernden Interpretationen ergeht und zu überschäumenden Wetten hinreißen läßt: Wird Gorbi doch mit Frau Raisa anreisen und Reagan seine First Lady zuhause lassen müssen, weil sie Angst hat, sich einen Schnupfen zuzuziehen, während, wie wir alle wissen, die Russen an die Kälte gewöhnt sind? Verliert Reagan ohne den Beistand seiner Nancy an Schlagkraft; war die Wahl des Austragungsorts des Wettkampfs also ein geschickter Schachzug der Sowjets, um sich einen Heimvorteil zu ergattern? Wetten wurden schon vor Wochen hoch gehandelt, die Affaire Daniloff sorgte für Schlagzeilen, die US–Medien überstürzten sich in ihrem Einsatz für „die Geisel Moskaus“ - endlich ein Lichtblick in der tristen Einöde der alltäglichen Berichterstattung, oder politisches Kalkül, um einen neuerdings als unberechenbar verdächtigten Präsidenten im Zaum zu halten? Hat er vielleicht wirklich vor, die USA dem „Reich des Bösen“ auszuliefern, wie der Hans Dampf der US–Außenpolitk, Henry Kissenger, suggerierte. Ein angsterfülltes Raunen ging durch den Blätterwald. Die hiesige Journaille steigt auf den aufgeblasenen Unsinn ein - die Medien sind übervoll mit „seriösen“ Klatsch– und Tratschgeschichten - und das alles, nur weil sich zwei alte Männer auf einer einsamen Insel mitten im grauen Atlantik treffen. Michael Fischer