AKW Mühlheim–Kärlich abgeschaltet

■ Mainzer Umweltministerium gibt Anweisung zum Abschalten / OVG Koblenz entzieht Teilerrichtungsgenehmigung / Dem AKW fehlt ordnungsgemäße immissionsschutzrechtliche Genehmigung

Von Rolf Gramm

Heidelberg (taz) - Das Atomkraftwerk Mülheim–Kärlich ist gestern morgen abgeschaltet worden. Der Grund: das Oberverwaltungsgericht (OVG) Koblenz hatte am Montag die Betriebsgenehmigung für das AKW der Rheinisch–Westfälischen Elektrizitätswerke (RWE) in einer Eilentscheidung kassiert. Auf Antrag der drei Kilometer von der Nuklearanlage entfernten Stadt Neuwied setzte das Gericht den sofortigen Vollzug der 8. Teilerrichtungsgenehmigung des AKW aus, weil der Kühlturm des Atommei lers keine ordnungsgemäße immissionsschutzrechtliche Genehmigung hat. Ob die Klage der Gemeinde letztlich Erfolg habe, so das Gericht, sei noch nicht abzusehen. Da aber die erforderliche Genehmigung für den Kühlturm fehle, lasse sich der „Kraftwerksbetrieb derzeit tatsächlich nur unter Verstoß gegen die Rechtsordnung durchführen“. Ein „besonderes öffentliches Interesse“ oder „überwiegende Interessen der Kernkraftwerksbetreiber“, die unter diesen Umständen die sofortige Aufnahme des Betriebs von Mülheim–Kärlich geböten, seien nicht ersichtlich. Die Klage der Stadt habe daher aufschiebende Wirkung. Die endgültige Entscheidung im Hauptverfahren ist nach Angaben des Bonner Rechtsanwalts Prof. Raimund Wimmer, dem Verfahrensbevollmächtigten der Stadt Neuwied, nicht vor Februar 1987 zu erwarten. Seit mehr als zehn Jahren klagt die 60.000–Einwohner–Stadt Neuwied konsequent gegen alle Teilerrichtungsgenehmigungen des AKWs. Die Gemarkungsgrenze der mit absoluter SPD– Mehrheit regierten Gemeinde ist nur 300 Meter von dem Atommeiler entfernt. „Da steht jetzt dieses Monstrum, und bei jeder Inversionswetterlage breitet sich im Neuwieder Becken der ganze Dreck hier aus“, erklärte der Pressesprecher der Stadt, Roland Knapp gegenüber der taz das besondere Interesse Neuwieds an der Verhinderung des AKWs. Die jetzige Stillegung wertete er als einen „Zwischenerfolg“. Das wegen seiner häufigen Störfälle berüchtigte erste rheinland–pfälzische AKW Mülheim–Kärlich befand sich seit März dieses Jahres im Probebetrieb und lief seit Anfang September mit voller Kraft. Mit seiner endgültigen Inbetriebnahme wurde für die nächsten Wochen gerechnet. Nach Auffassung des für die Genehmigung zuständigen rheinland–pfälzischen Wirtschaftsministers Rudi Geil beinhaltet der Spruch des Koblenzer OVG eine Änderung der bisherigen Rechtsprechung. Bislang sei es verwaltungsrechtliche Praxis gewesen, daß für Kühltürme keine eigene immissionsrechtliche Genehmigung nötig war. Das Verfahren für eine derartige Genehmigung sei im Übrigen bereits am 8. Juli eingeleitet worden. Geil legte Wert auf die Feststellung, daß das Gericht seine Entscheidung lediglich aus formalen Gründen gefällt und keine Sicherheitsbedenken geäußert habe.