SPD: Wiedergutmachung forcieren

■ Gespräch zwischen Vogel und Vertretern von Roma und Sinti / Fortschritte für NS–Opfer noch in dieser Legislaturperiode versprochen / SPD kündigt Stiftungsmodell an, das NS–Opfern Rente garantieren soll

Von Klaus Hartung

Berlin (taz) - Im Juli hatte der Zentralrat der Roma und Sinti um ein Gespräch gebeten - jetzt erst bot der Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans–Jochen Vogel, einen Termin an. Eine bedenkliche Verzögerung vor dem Hintergrund, daß die Bundesregierung auf Zeit spielt, um eine korrigierende Gesetzgebung in Sachen Wiedergutmachung möglichst in dieser Legislaturperiode zu verhindern. Romani Rose und die Seinen gingen denn auch mit einer reduzierten Forderung in das Gespräch in Bonn ein: Unterstützung für den Wunsch, ihre Vertreter in den Beirat aufzunehmen, der seit 1981 Härtefälle regeln soll und sich bislang darin bewährte, „die absurden und diskriminierenden Begründungen des Finanzministers bei der Ablehnung von Anspruchsberechtigten zu legitimieren“ (der Zentralrat). Überraschend zeigte sich Vogel am Mittwoch in Anwesenheit der MdBs Renate Schmidt und Gerhard Jahn nicht nur aufgeschlossen, sondern auch bereit, sich politisch festzulegen: Die SPD–Fraktion werde in der kom menden Woche einen Entschließungsantrag einbringen, in dem die Vertretung der Sinti und Roma in jenem Beirat gefordert werde. Darüber hinaus werde darin die vom Zentralrat immer wieder geforderte ausdrückliche Anerkennung der Sinti und Roma als NS– Opfer verlangt. Weiterhin erbat sich Vogel vom Zentralrat eine Liste von 400 Sinti und Roma, denen bisher jede Entschädigungsrente versagt worden war. Er verbürgte sich persönlich, beim Bundespräsidenten, Kanzler und Finanzminister vorstellig zu werden und durchzusetzen, daß diesen Personen aus den Mitteln der Härteregelung von 1981 umgehend eine Rente gezahlt werde. Außerdem wurde ein Stiftungsmodell angekündigt, das in der nächsten Woche zusammen mit Vertretern der Sinti und Roma beschlossen werden soll: In diesem Modell soll - ähnlich dem Vorschlag der Grünen - die Versorgung aller NS– Opfer im Sinne einer Rente garantiert werden. 250 Millionen Mark werden für diese Regelung angesetzt. Das Finanzministerium hatte vor einigen Monaten auf elf Mrd. hochgerechnet. Angesichts der Zeitnot kritisierte Vogel implizit das Verhalten der SPDler Jaunisch und Wiezcorek. Die SPD–Vertreter betonten, daß das Stiftungsmodell noch in dieser Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht und beschlossen werde. Alle Initiativen hängen vom 1. November ab: Dann soll die Bundesregierung ihren Bericht zum Stand der Wiedergutmachung vorlegen. Wie der Bericht aussehen kann, nimmt ein Brief (22. Sept.) vom Bundeskanzleramtschef Schäuble an die DGSP vorweg. Obwohl sich im Vorfeld der Wiedergutmachungsdebatte eine Mehrheit abzeichnete, die Zwangssterilisierung endlich als nationalsozialistisches Unrechtsgesetz zu qualifizieren, beharrt er darauf, daß das Erbgesundheitsgesetz von 1933 in der „praktischen Durchführung“ mit dem Grundgesetz „vereinbar“ sei. Außerdem würden Änderungen, eine Nichtigkeitserklärung des Nazi–Gesetzes und die Anerkennung der Zwangssterilisierten „das gesamte System des Wiedergutmachungsrechtes gefährden“.