Der CSU mal einen Denkzettel verpassen

■ Die „Unabhängigen“ versuchen die mit der Agrarpolitik der CSU unzufriedenen Bauern zu gewinnen / Gegen Vorzeigebauern im Landtag / Die Bauern sind nach wie vor ein „Erfolgsrisiko“ für die CSU bei der bayerischen Landtagswahl

Aus München Luitgard Koch

„Do muß scho a Wunder passiern, daß i noch a moi CSU wähl“, schüttelt der schwäbische Bauer Alfons Gail den Kopf. Mit seinen 16 Milchkühen und neun Hektar Land bezeichnet er sich als „Kontingentierungsgeschädigten“. Bis vors schwäbische Bezirksgericht ist er deshalb gezogen. Ohne Erfolg. Da er selbst den Schwarzen mit dem besonderen Draht nach oben ein Wunder wenige Tage vor den bayerischen Landtagswahlen nicht mehr zutraut, sitzt er an diesem Abend bei einer Wahlveranstaltung der „Unabhängigen“, einer parteifreien Wählergemeinschaft, zu der sich Mitglieder der „bayerischen Agraropposition“ zusammengeschlossen haben, um in den Regierungsbezirken Schwaben und Oberbayern anzutreten. Die Wirtsstube des Bachwirt in dem Tausend–Seelen–Ort Sielenbach in der Nähe von Augsburg ist bis auf den letzten Platz besetzt. „Bei der CSU warn nur zehn Leit da“, verrät der 36jährige Bio– Bauer Sepp Bichler. „Wer moant, daß da CSU mal a Denkzettel verpaßt ghört, kann a uns wählen“, versucht der schwäbische Spitzenkandidat, vor zehn Jahren ist er aus der JU ausgetreten und war Mitglied bei der Katholischen Landjugend, den Bauern eine Alternative anzubieten und sie vor einem Abrutschen ins „rechte Lager“ des Republikaners Schönhuber oder des niederbayerischen CSU–Dissidenten abzuhalten. Daß Grüne und SPD wenig Chancen haben bei den unzufriedenen Bauern, davon geht er aus. „Wega dene (Grünen) müss ma die schwarzen Lumpn wieder wählen“, sagen sich manche. Die Vorurteile sitzen tief. Zur Einstimmung spielt bei den „Unabhängigen“ keine Blaskapelle, aber auf Brauchtum wird trotzdem nicht verzichtet. Vroni von den drei „Wellküren“, den musikalischen Schwestern der mittlerweile über Bayern hinaus bekannten „Biermöslblasn“, stimmt den Begrüßungsjodler an. Begleitet von Hackbrett und Zither singen sie gegen Kernkraft, Vermummungsverbot sowie die Verschandelung der Dörfer, und die Bauern hören sich das schmunzelnd an. Bevor Bichler, er ist Gemeinderat, zum eigentlichen Thema „Agrarpolitik“ kommt, spricht er auch regionale Probleme an. Die in den 60er Jahren von der CSU durchgepaukte Gebietsreform hat auch hier im Dorf ihre negativen Spuren hinterlassen. „Daß unsere Schule erhalten wird, ist ein leeres Versprechen“, weiß er. Trotz des Votums des kulturpolitischen Ausschusses im Landtag, weigern sich die umliegenden Gemeinden, ihre Kinder dort zur Schule zu schicken. Was der Ministerrat, der das Problem letztendlich klären sollte, beschloß, konnte selbst der CSU–Landtagsabgeordnete Fendt aus dem hiesigen Stimmkreis nicht in Erfahrung bringen. „Da muß doch no oaner von dene nüchtern gwesn sei, aber vom Jaumann is ja bekannt, daß ers ab zwölfe mittag nimmer is“, zieht Bichler vom Leder. „Oha“, kommt es aus der Runde. Der Angriff auf den bayerischen Wirtschaftsminister läßt sie aufhorchen, und einer fragt ganz hinterlistig nach: „Wia host jetz des gmoant Sepp, mit m Essen oder mit am Trinken?“ Dröhnendes Gelächter in der Wirtsstube. Mucksmäuschenstill wird es jedoch, als Bichler die Agrarpolitik kritisiert. „Die Katastrophe wird erst nach der Bundestagswahl kommen“, warnt er. Weitere zehn bis 15 Prozent Milchkontingentierung kämen danach auf die Bauern zu. „Des hat da Nüssel (Staatsekretär im bayerischen Landwirtschaftsministerium) scho zugegeben.“ Um das Dilemma noch perfekt zu machen, werde durch die Verfütterung des radioaktiv–verseuchten Heus auch der Milchpreis nochmals um zehn Pfennig sinken, erklärt Bichler. „Mit de Probleme, die mia in da Agrarpolitik ham, sprichst du mir direkt aus der Seele, aber was is de Lösung?“ meint ein junger Bauer. „Aber des hod a doch a scho gsagt“, fallen ihm seine Tischnachbarn ins Wort. Trotzdem geht Bichler nochmals darauf ein. Als erstes würde er die Importe aus der DDR stoppen. „Des macht a guada Strauß–Freund, da März aus Rosenheim mit seiner Firma Marox“, weiß der bärtige Ökobauer und Vater von zwei Kindern. „Ja soll ma aus der EG rausgehen?“ fragen ihn die Bauern verunsichert. Aber davon hält Bichler nichts. Grundsätzlich plädiert er jedoch für mehr dezentrale Strukturen. Die Bauern sind nach wie vor das „Erfolgsrisiko“ für die CSU. Von den über 3,5 Millionen Wählerstimmen, die sie bei der vergangenen Landtagswahl erhielt, stammen über eine Million aus der Bauernschaft. In Oberbayern tritt der Biobauer Hans Geißenberger gegen den BBV–Bezirkspräsidenten Martin Haushofer an. „Der nimmt dem mindestens tausend Stimmen ab“, glaubt er. Sollte Achternbusch recht haben, wenn es meint: „In Bayern leben 60 Prozent Anarchisten, und die wählen alle die CSU“?