Thema Schmücker „abgeschottet“

■ Berlins Innensenator Kewenig (CDU) setzt Tradition fort: Verstrickungen des Verfassungsschutzes in den Mordfall Schmücker werden weiter gedeckt / „Leib und Leben“ von V–Leuten angeblich gefährdet

Von Benedict M. Mülder

Berlin (taz) - „Wer glaubt, daß inmitten dieses Sumpfes von Gewalt, Mord, Verrat und Haß auf unseren Staat nach Art kriminalistischer Seminare oder intellektueller Debattierzirkel operiert werden kann, der muß sich eben sagen lassen, daß in bestimmten Bereichen unserer Lebenswirklichkeit Blauäugigkeit unmittelbar in tödliche Gefahr umschlagen kann.“ Tödlich endeten vor 12 Jahren die Tätigkeiten des Ulrich Schmücker, der als V–Mann im „terroristischen Umfeld“ eingesetzt war. Wessen Blauäugigkeit Berlins Innensenator Kewenig (CDU) in Beantwortung einer Großen Anfrage der AL über das Landesamt für Verfassungsschutz und den Fall Schmücker am späten Donnerstagabend im Abgeordnetenhaus geißeln wollte, lag auf der Hand. Die eines mit Informationsmaterial „gespickten“ Journalisten des Spiegel, der in einem sensationsheischenden Verfassungsschutz–Traktat die Stichworte lieferte, ebenso wie die der Alternativen Liste, die diese Punkte aufgriff, um, wie der Senator meinte, den Verfassungsschutz in Verruf zu bringen und Terroristen zu entlasten. Die Vorwürfe der AL–Ab geordneten Künast waren in der Tat gravierend: „Die Vermutung ist, daß der Verfassungsschutz Interesse am Tode Schmückers hatte, daß im stillschweigenden Einverständnis mit offiziellen Behörden ein Verbrechen begangen wurde“. Manipulierte Zeugenaussagen, die permanente Beeinflussung der Ermittlungen durch den Verfassungsschutz, verweigerte Aussagegenehmigungen, die Nichtherausgabe von Akten und schließlich das zuletzt bekanntgewordene „Verschwinden“ der Tatwaffe in einem Panzerschrank des VS sprächen dafür, meinte die AL. Der SPD–Abgeordnete Pätzold rückte das Vorenthalten der Waffe in eine „ähnlich negative Dimension wie Celle“. Die unparlamentarische Auskunftsverweigerung des Senators setze den Verfassungsschutz erst recht ins Zwielicht. Allein Kewenig rechtfertigte in der Tradition seiner sozialdemokratischen Amtsvorgänger die „Abschottung des Gesamtkomplexes Schmücker“. Es gehe um die „Arbeitsmöglichkeiten innerhalb der Terrorszene, um Leib und Leben bestimmter Mitarbeiter des Verfassungsschutzes“. Wer den Geheimdienst zu einem veröffentlichten Dienst mache, so Kewenig, trage zu seiner Zerstörung und Demotivierung bei. Daß die von der AL initiierte Debatte über die Affaire - in die der heutige stellvertretende Leiter des Verfassungsschutzes, Przytarski, genauso verwickelt ist wie der vom Staatsanwalt zum Staatssekretär aufgestiegene Möllenbrock - Unruhe in die Späherszene trägt, mochte man am Donnerstag im Berliner Abgeordnetenhaus gerne glauben. Die leitenden Herren inclusive des früheren Innensenators Lummer nahmen im Verlauf der Diskussion unentwegt Kontakt miteinander auf.