AKW–Betreiber prüft NRW–Atomanlagen

■ Wirtschaftsminister Jochimsen konkretisiert lange angekündigte Pläne zur sicherheitstechnischen Überprüfung von Atomanlagen / „Profis findet man nur in Kraftwerksunternehmen“

Aus Bochum Petra Bornhöft

Die nordrheinwestfälische Landesregierung beabsichtigt, die Schweizer Atomfirma „Elektrowatt Ingenieurunternehmung AG Zürich/Mannheim“ mit der nach Tschernobyl angekündigten sicherheitstechnischen Überprüfung von Atomanlagen zu beauftragen. Inspiziert werden sollen der Schrottreaktor Würgassen, der THTR in Hamm–Uentrop, die Versuchs– und Forschungsreaktoren in Jülich sowie die Urananreicherungsanlage in Gronau. Nach Informationen der taz steckt „Elektrowatt“ selbst im Atomgeschäft und ist keineswegs eine neutrale „Ingenieur–Firma“, wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung meldete. Elektrowatt war beteiligt am Bau des Schweizer AKW Leibstadt und zählt zu den derzeitigen Aktionären des Atommeilers. Weiterhin ist das Unternehmen finanziell an den drei geplanten Schweizer Atomkraftwerken Kaiseraugst, Graben und Inwil beteiligt, verfügt über Aktien in mehreren Schweizer Energieversorgungsunternehmen sowie der Schweizer Aktiengesellschaft für Kernenergiebeteiligungen, die ihrerseits Atomkraftwerke im In– und Ausland betreibt. International fungiert Elektrowatt als Regierungsberater bei Auswahl von Atomkraft werken für die „Dritte Welt“. Dies scheint der nordrheinwestfälischen Landesregierung nicht unlieb zu sein. „Wen sollten wir denn nehmen?“ begründet ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums die Auswahl von Atomlobbyisten, „Profis findet man nur in Kraftwerksunternehmen“. Die Genehmigungsbehörde kenne Elektrowatt als Gutachter für den Schnellen Brüter. Hatte Jochimsen vorgestern in Bonn betont, NRW sei an guter Zusammenarbeit mit Bundesumweltminister Wallmann interessiert, so setzte sein Düsseldorfer Sprecher noch eins drauf: „Jeder Gutachter hat seine Vergangenheit. Irgendjemanden mußten wir auswählen. Wir wollen uns aus Bonn nicht den Vorwurf machen lassen, einen parteilichen Gutachter beauftragt zu haben“. Außerdem sei das „international angesehene Institut“ gehalten, „auch kritischen Sachverstand bei der Sicherheitsüberprü fung zu berücksichtigen“. Minister Jochimsen hatte in Bonn angekündigt, daß der Generalunternehmer Elektrowatt Unteraufträge an weitere Gutachter vergeben solle. Die Auswahl von „fachlich qualifizierten Kritikern der friedlichen Nutzung der Kernenergie“ bleibe den Schweizern überlassen, verlautete aus Düsseldorf. Das Unternehmen verfüge über „soviel Knowhow, daß es weiß, wer fachlich qualifiziert ist oder wer nur labert“. Nach Meinung des Ministeriums werde das Ökoinstitut Freiburg „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ an den Arbeiten beteiligt. Die Reaktorsicherheitsexperten des Ökoinstituts zählen zu den schärfsten Kritikern des THTR und äußerten sich mehrfach zu den speziellen Risiken dieses Prototypreaktors. Ein erstes Gutachten der Schweizer Firma soll bis März 1987 unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Tschernobyl–Katastrophe den Ist–Zustand der Anlagen beschreiben und etwaige „Ertüchtigungsmaßnahmen“ im Sinne des Atomgesetzes erarbeiten. Im Rahmen dieses Gutachtens sei zu klären, so Minister Jochimsen, „ob in einem zweiten Prüfungsschritt die Neubewertung des sicherheitstechnischen Anlagenkonzeptes“ und „eine umfassende Schwachstellenanalyse“ erforderlich sei. Dann müsse auch die Frage beantwortet werden, ob die „bei der sicherheitstechnischen Auslegung der Anlagen de facto gezogene Grenze“ zwischen Auslegungsstörfällen und Restrisikostörfällen „in Richtung größerer Sicherheit verschoben werden muß“. Unklar bleibt in der am Donnerstag in Bonn verbreiteten Stellungnahme des Ministers, ob und welche der konkret aufgezählten „Themen zur Sicherheitstechnik“ überhaupt in dem ersten Gutachten behandelt werden.