„Ich kann als Schwarze nicht die Rotn wähln!“

■ Die WAA bei Schwandorf bringt die bayerischen Wahlverhältnisse aus dem Lot / Absolute Mehrheit für die SPD Erhebliche Probleme der Bürger/innen mit dem konservativen Weltbild / Stimmungsbilder aus den Wirtshäusern

Von Tina Stadlmayer

Schwandorf (taz) - „Also dann, auf eine gute Zusammenarbeit im Landtag. Prost!“ Im Landratsamt von Schwandorf in der Oberpfalz stoßen SPDler und Grüne zur Feier des Tages mit Cognac an. SPD–Spitzenkandidat Dietmar Zierer ist in Hochstimmung. Mit 53,2 Prozent der Erststimmen hat er seinen Konkurrenten Manfred Humbs von der CSU um Längen geschlagen: „Wahnsinn, nur 33,9 Prozent für die CSU“,– die Grünen freuen sich mit der SPD, obwohl sie selbst in Schwandorf sogar Erststimmen verloren haben. Im Landkreis Schwandorf hat die geplante WAA in Wackersdorf dazu geführt, daß in der stockkonservativen Oberpfalz jetzt „die Rouden“ (die Roten) in der Mehrheit sind. Eine ganz seltsame Stimmung liegt über dem Land. Am Nachmittag des Wahltages spazieren wie jeden Sonntag Hunderte von Schwandorfern zum Bauzaun. Es bleibt ruhig. Der Pfarrer liest wie jeden Sonntag vor dem Bauzaun die Messe :“Herr, mach uns stark, daß wir aller Gewalt zu widerstehen vermögen.“ Hinter dem Kreuz hängt ein Transparent: „Vergib der CSU, obwohl sie weiß, was sie tut, aber bewahre uns vor ihrer Macht.“ Am Abend dann ein Wirtshaus zu finden, wo die „ganz normalen Schwandorfer“ einkehren, ist gar nicht so einfach. Die beiden großen Wirtschaften am Marktplatz werden von den WAA–Geg–nern boykottiert, weil sie das Bier für die Polizei liefern. Die SPD und die BÜrgerinitiative gegen die WAA treffen sich in der „Schwefelquelle“. Landrat Hans Schuierer und sein Stellvertreter Dietmar Zierer, der Direktmandat–Gewinner sind hier die Helden des Tages. „Dieses tolle Ergebnis haben wir unserer klaren Absage an die WAA zu verdanken“, erklärt Zierer, „ich war immer schon ein erklärter Kernkraftgegner, nur war ich damit in meiner Partei lange in der Minderheit.“ Und Landrat Schuierer ergänzt: „Jetzt haben wir unseren Genossen in der Landespartei bewiesen, daß der Anti– Atom–Kurs der richtige ist. Zweifellos gibt es in der Umwelt und Energiepolitik bei der SPD noch viele Defizite. Es ist uns nicht gelungen, über die Oberpfalz hinaus auf das Problem der WAA aufmerksam zu machen. Das ist wohl auch der Grund für das landesweit erschütternd niedrige Wahlergebnis.“ Auf meine Frage, ob er nicht selbst noch vor wenigen Jahren für Atomkraft war, erklärt Schuirer: „Damals hab ich noch gar nicht gewußt, was eine WAA ist. Inzwischen hab ich einiges dazugelernt.“ Bei den Grünen, nebenan im „Schützenheim“, herrscht Riesenfreude über das landesweite Wahlergebnis. Gerade erscheint der finster blickende Hiersemann auf der Mattscheibe: „Uugh, tut das Monster weg!“ schreit einer übermütig. Die Begeisterung legt sich bei den Grünen allerdings, als bekannt wird, daß sie in Schwandorf nur 5,9 Prozent, also weniger als bei der letzten Wahl und sehr viel weniger als im Landesdurchschnitt, erzielt haben. Der Kreisvorsitzende Erwin Gierl erklärt sich das mit der großen Beliebtheit des SPD–Direktkandidaten: „Viele WAA–Gegner, auch Grüne, haben ihre Erststimme dem Zierer gegeben.“ Auf eine ganz andere Erklärung für das schlechte Abschneiden der Grünen stoße ich im Gasthaus „Zum Baier“, wo die „ganz normalen“ Schwandorfer einkehren. Da wird am Stammtisch natürlich auch übers Wahlergebnis debattiert. Und einer der Gäste meint: „Die Leut hier haben Angst vor den Grünen, weil sie sie mit den Chaoten in einen Topf werfen.“ Ein anderer ergänzt: „Ja, da laufen schon so Gestalten rum. Wenn die sich besser anziehen täten, könnt man sie vielleicht ernster nehmen.“ Sofort springt die Bedienung für die „jungen Leut“ in die Bresche: „Manchmal vertreibens mir zwar die Stammgäste. Aber ich sag ihnen eins: Das sind grundehrliche Menschen.“ Sie selbst sei diesmal nicht zur Wahl gegangen, denn: „Ich kann doch als Schwarze nicht die Rouden wähln.“ Weniger Schwierigkeiten hat da einer der Stammgäste: „Ich hab früher immer CSU gewählt. Aber jetzt, wo wir denen die WAA zu verdanken haben, jetzt wähl ich SPD.“ Ein kleiner hagerer Bauer verkündet: „Ich hab die Nazis gwählt, wissens schon, den Schönhuber, aber für die Atomfabrik bin i aa ned“. Im ganzen Wirtshaus findet sich jedenfalls keiner, der die WAA verteidigt. „Wissens, Froillein, unserer Landrat, des is zwar a Rouder, aber die Roudn san gar ned so schlecht bei uns“, klärt mich einer der Stammgäste auf. Ja wenn das so ist, wird die CSU eines Tages vielleicht doch... Auf der Rückfahrt nach München holt mich die Wahlsendung des Bayerischen Rundfunks wieder auf den Boden der Tatsachen zurück: Stimmkreis 118, Freising, wiedergewählt: Otto Wiesheu, CSU. Stimmkreis 114, Dachau, wiedergewählt, Herbert Huber, CSU. Stimmkreis, wiedergewählt, CSU, wiedergewählt, wiedergewählt...