Reagan fürchtet ein Wahldebakel

■ Der US–Präsident rechtfertigt seine „SDI–Besessenheit“ in einer Fernsehansprache

Berlin (wps/taz) - „Wir sind bereit, dort weiterzumachen, wo wir (in Reykjavik) aufgehört haben“, versuchte Reagan am Montagabend das vom Ausgang des Gipfels enttäuschte amerikanische Fernsehvolk in einer Ansprache zu beruhigen. Der Präsident strahlte vor Optimismus: „Wir haben die großzügigsten und weitreichendsten Abrüstungsvorschläge der Geschichte vorgelegt“, aber - sein Gesicht verfinsterte sich - Gorbatschow wollte „unsere Pläne für ein weltraumgestütztes Raketenabwehrsystem zunichte“ machen. Die USA könnten es aber nicht zulassen, daß die Sowjetunion ihnen ihre einzige „Versicherungspolice“ gegen einen Angriff wegnähme. Er sei jedoch weiterhin zu einem Gipfeltreffen mit Gorbatschow bereit, wie es ursprünglich für Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres geplant war. Außerdem sollen die Genfer Verhandlungen auf Basis des in Reykjavik Erreichten weitergeführt werden. Mit seiner Fernsehansage wollte Reagan den Kritikern seiner „SDI–Besessenheit“, so der frühere US–Chefdelegierte bei Rüstungskontrollgesprächen, Paul Warnke, entgegentreten, bevor sich die schon vor dem Gipfel angehäuften Unstimmigkeiten zu einem Debakel seiner Partei vor den Anfang November stattfindenden Wahlen auswachsen. Bislang stehen die Chancen gut, daß die oppositionelle demokratische Partei die Mehrheit im Senat erlangen und damit beide Kammern des US–Kongresses kontrollieren wird. Solcherart veränderte Mehrheitsverhältnisse würden Reagan das Leben während der letzten zwei Amtsjahre erheblich erschweren und könnten im schlimmsten Fall den politischen Prozeß in Washington lahmlegen. Die demokratische Mehrheit im Abgeordnetenhaus hat schon vehementen Widerstand gegen Reagans Rüstungspläne angekündigt. Und die westlichen Allierten fühlen sich von Reagans Halsstarrigkeit vor den Kopf gestoßen. Wie die SPD machen viele europäische Parteien Reagan für das Scheitern des Gipfels verantwortlich. SPD–Fraktionsvorsitzender Ehmke: „Für den Traum eines unverwundbaren Amerika mit Waffen, die aus einem Science–Fiction–Roman stammen könnten, gibt der amerikanische Präsident die reale Möglichkeit aus der Hand, jetzt durch konkrete Abrüstungsvereinbarungen den Frieden zu sichern.“ mf