Umweltschützer contra Kohlenmafia

■ Gegner der Nordwanderung des Bergbaus in NRW will Schloß und Wald vor den Umweltschäden bewahren / Ruhrkohle, Betriebsräte und Gewerkschafter fordern gerichtliche Schritte gegen Graf von Kanitz

Von Petra Bornhöft

Cappenberg (taz) - Es gehe nicht um sein Privatinteresse, sondern um die Erhaltung eines Denkmales und eines 1.500 Hektar großen Naherholungsraumes für das östliche Ruhrgebiet, verteidigte sich Schloß– und Waldbesitzer Graf von Kanitz gestern gegen heftige Angriffe. Übereinstimmend behaupten NRW–Umweltminister Mathiessen, Bergbau AG Westfalen (BAG), Betriebsräte und die IG Bergbau und Energie (IGBE), der Graf und andere Mitstreiter im münsterländischen Cappenberg verzögerten aus Eigennutz die Nordwanderung des Bergbaus. Bereits 1988 beabsichtigt die BAG mit dem Kohleabbau im sogenannten „Nordfeld“ unter Schloß Cappenberg zu beginnen. Von dem neuen „Anschlußberg werk“ soll die Kohle untertage kilometerweit zur Bergkamener Zeche „Haus Aden“ transportiert werden. Zur Realisierung dieses Planes fehlt der BAG allerdings noch ein Gutachten über mögliche Schäden für das unter Denkmalschutz stehende Schloß Cappenberg. Graf Kanitz verweigere den Gutachtern Zutritt zu seinem Grund und Boden und gefährde dadurch Arbeitsplätze sowie eine sichere Energieversorgung, lauten die Vorwürfe von Bergbauseite. Gegen diese „falsche Behauptung“ verwahrte sich der Graf. Er fordere seit Jahren eine Untersuchung von unabhängigen, durch die Aufsichtsbehörde Bergamt bestellten Gutachtern. Graf von Kanitz kritisierte insbesondere, daß die BAG selbst von der Bergbehörde mit dem Gutachten beauftragt worden sei. Darüber hinaus müßten die zu erwartenden Schäden für das Waldgebiet untersucht werden. Auswertungen der BAG– Abbaupläne durch vereidigte, vom Grafen beauftragte Gutachter rechneten mit Bergsenkungen von mindestens 21 Metern. Forstexperten seien sich einig, daß etwa 60 Prozent des Waldes zerstört würden. Kein gutes Haar ließ der Graf an den von Umweltminister Mathiessen vorgesehenen „Sicherungsmaßnahmen“ für das Schloß. Sie würden die „Denkmalsubstanz nachhaltig zerstören“. Graf von Kanitz steht nicht allein in seinem Widerstand gegen die von der Landesregierung in Abstimmung mit dem Bergbau und der IGBE geförderten Verlagerung des Kohlenpotts in das Münsterland. Umweltverbände und lokale Bürgerinitiativen forderten bisher vergeblich unabhängige Gutachten zu Mathiessens „Gesamtkonzept Nordwanderung“, dessen unverbindliche Leitlinien für die Abteufung von 15 neuen Schachtanlagen bis zum Jahre 2005 ihrer Meinung nach bedrohliche Folgen für Umwelt und Natur vorprogrammiert (vgl. taz vom 31.1.86). Dagegen verbreiten lokale Bergwerksdirektoren, IGBE– Funktionäre und Betriebsräte mittlerweile fast eine Pogromstimmung gegen die Umweltschützer. Sie fordern nicht nur gerichtliche Schritte gegen Graf von Kanitz, sondern riefen mittlerweile sogar zum (geschäftlichen) „Boykott gegen alle diejenigen auf, die die Nordwanderung boykottieren“. Dagegen stellte vorgestern der „Arbeitskreis Naherholungs– und Landschaftschutzgebiet Cappenberg und Umgebung“ Strafanzeige wegen versuchter Nötigung.