Opel am Grill mit Lendenwirbelstütze

■ Werbeschlacht ums fahrende Volk bei der Berliner Ausstellung „Avus, Autos, Attraktionen“ / „Neues Denken“ ist angesagt, und absurdester Schnickschack soll die Kisten verkaufen helfen / Einzige große Show der Autobauer in diesem Jahr geht am Wochenende zu Ende

Vom Funkturm Manfred Kriener

Berlin (taz) - Was ich nicht kapiere: Warum muß bei einer Auto– Ausstellung eigentlich soviel gefressen werden? Okay, nach dem Passieren des Standes von „Jaguar“ ist als Trösterchen fürs Unbezahlbare ne fette Boulette oder ein Riesenwindbeutel (Sturmsack) fällig, aber bei Fiat, VW, Mitsubishi, Opel, Volvo, überall und immer Crepes, Törtchen, Sahne und Ketchup–Matsch reinbaggern. Dabei gibts doch lauter schöne umweltfreundliche Autos anzugucken. Zum Beispiel bei Renault. „Autos fürs Leben“ heißt die Firmenparole, und der Motor wird ab heute „Energiezentrum“ genannt. Oder bei Ford. Ford erleichtert die Autoauswahl durch einen Computer. Alter, Geschlecht, Familienstand müssen dem Gerät anvertraut werden, ob du lieber „zügig“ fährst oder „gelassen“ und ob mensch das Antiblockier–System nicht doch wichtiger findet als eine flotte Aerodynamik. Wer alles beantwortet hat, kriegt dann sein ganz persönliches maßgeschneidertes Auto ausgedruckt: Ford– Fiesta. Bei Opel geht der Vorhang auf. Drei Häschen und ein Entertainer präsentieren den neuen Opel– „Omega“, der sich vor der Bühne wie ein Hähnchen am Grill auf einem überdimensionalen Spieß windet und den Blick auch auf spätere Rostbeulen–Ansiedlungen freigibt. Die Opel–Präsentation ist klassisch. Sie erinnert an amerikanische Profiboxen, wenn das Pausengirl mit dem Schild „Runde 5“ und knappem Trikot durch den Ring schwänzelt. „Lendenwirbelstütze auch auf der Beifahrerseite“, sagt der Opel–Mann. Süß lächelnd hält eines der Häschen das Schild „Lendenwirbelstütze“ in die Höhe und läuft damit über die Bühne. „Beleuchteter Make– up–Spiegel!“ Das nächste Schild, das nächste Häschen usw. Zum Schluß gibts grau–gelb–weiße Opel–Pullover. Skoda hat keine Häschen. Und noch schlimmer: Skoda hat keinen Katalysator. Aber der Firmenvertreter ist ein Fuchs: Wenn die Leute wüßten, wieviel wertvolle Energie und Rohstoffe für die Produktion von Katalysatoren verschwendet werden . . . Außerdem hat Skoda das billigste Auto der Ausstellung. Der „105 S“ kostet bei 45 Pferdestärken nur 7.450 DM. Der Verkaufsleiter korrigiert mich: „Bolle ist billig. Wir sind nicht billig, wir sind preiswert“. „Und schreiben Sie bloß nicht wieder was von Ostblock–Autos!“ gibt er mir auf den Weg. „Jaguar“ ist auch nicht mehr, was es einmal war. Schlappe 88.350 DM kostet der XJS V12, der damit von den Spitzenmodellen aus dem Hause BMW und Daimler–Benz preislich klar abgehängt wird. Auch der legendäre zweite Tank ist verschwunden. Der neue Jaguar verbraucht nämlich nur noch 16 Liter auf 100 km, und dafür genügt ein einziger Tank, sagt die Verkaufstante der noblen Briten und überreicht mir ihren Prospekt. Dort steht drin, daß es den Jaguar in Tweed–Stoff oder Conolly–Leder gibt, die Armaturen sind aus Edelholz–Furnier mit feinem Wurzel–Muster. Und das gibts bei BMW: Temperament, Eleganz, Noblesse, Dynamik, Sicherheit, Hochleistungstechnik, Ästhetik, Beweglichkeit, Souveränität, Präzision, Funktionalität. Fahraktivität, Fahrfaszination und jede Menge Umweltfreundlichkeit. Bord– Computer, Glatteis–Warnung und Motronic–System, eine Check– Control mit 23 Funktionsüberprüfungen und Prioritätenbildung sowie Sitze mit atmungsaktiven Stoffen sind sowieso im Preis inbegriffen. Das BMW–Motto heißt „Beispiele für neues Denken“. Altes Denken bei Citroen: die Ente. Aber selbstverständlich schadstoffarm. Leichte Verbesserungen der Kompression hätten ausgereicht - so der Citroen– Mann - um den „Dö–sche–vo“ in die steuerbegünstigte Klasse schadstoffarm zu hieven. Ansonsten das neueste Klimbim: der Kugelautositzbezug „Tapibul“ mit Akupunkturwirkung für beschwerdefreies Fahren durch permanente Massage, gefertigt nach alter chinesischer Methode aus 1.485 Holzkugeln. Oder das Ultraschallgerät fürs Einparken. Drei Sensoren messen den Abstand von Stoßstange zu Stoßstange und zeigen ihn bis auf den Zentimenter genau dem Fahrer optisch und akustisch an. Das „frauenfreundliche Automobil“ besitzt einen extra großen Make– up–Spiegel, einen zusätzlichen Außenspiegel und hervorragende Kindersicherungen. An alles ist gedacht, sogar an die Autokritiker. Hans Schuh– Tschans Buch über die „geräderte Gesellschaft“ und die „Blutspur des Autos“ kann hier genauso verkauft werden wie der goldene Anstecker von „Jaguar“ - am selben Stand für denselben Preis.