Verhöhnung

■ Gesetzliche Konsequenzen aus dem Fall Altun

„Der tragische Freitod des Asylsuchenden Kemal Altun vor drei Jahren offenbarte eine Schwäche im Rechtssystem, die beseitigt werden muß“. Diese Forderung kam nicht etwa nur von den Grünen. Mitglieder der Bundesregierung bis bin zum Kanzler marschierten in der Bundestagsdebatte Ende August 1983 ans Rednerpult, um ihre Betroffenheit über den „Selbstmord“ des Flüchtlings zu bekunden. Die Empörung in der gesamten Republik schlug so hohe Wellen, daß selbst kritische Beobachter die leise Hoffnung auf eine Verbesserung der Verhältnisse hatten. Der jetzt nach drei Jahren vorgelegte Gesetzentwurf spricht diesen Hoffnungen Hohn. Es ist einfach deprimierend zu beobachten, mit welcher Regelmäßigkeit die Zyniker der Republik bei der Beurteilung der amtierenden Bundesregierung bestätigt werden. Heuchelei in der Debatte, warten, bis niemand sich mehr erinnert und dann einen Gesetzentwurf einbringen, der das Gegenteil dessen beinhaltet, was ursprünglich versprochen wurde. So wie diese Koalition es fertigbrachte, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Volkszählung ein Paket von „Sicherheitsgesetzen“ zu destillieren, die die Intention des Urteils auf den Kopf stellen, wird aus dem Auslieferungsschutz für Asylberechtigte eine Schmälerung des Rechtsschutzes für Asylsuchende. Daß damit die Kumpanei mit Militärregimen, etwa der Türkei, nicht beendet wird, liegt auf der Hand. Daß das Gesetz nun aber auch noch benutzt wird, um die im Verhältnis zu den höheren Gerichten eher noch asylfreundlichen ersten Instanzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit mittelfristig ganz auszuschalten, ist schon ein juristischer Kunstgriff, der einem Respekt vor der kreativen Bosheit abnötigt. An „furchtbaren Juristen“ hat diese Bundesregierung wahrlich keinen Mangel. Jürgen Gottschlich