Abrüsten durch Umrüstung?

■ SPD–Politiker von Bülow erneuert seinen Vorschlag für eine „strukturelle Nichtangriffsfähigkeit“ der Bundeswehr / Milizartige „Heimatschutzregimenter“ an der Grenze / „Zivilisierung des Militärs“?

Aus Bonn Ursel Sieber

Der SPD–Politiker Andreas von Bülow hat am Wochenende erneut ein Konzept für eine „Bundeswehrstruktur der 90er Jahre“ vorgelegt. Seinen Vorschlag bezeichnete von Bülow als „Versuch, Lücken von Nürnberg auszufüllen“. Auf dem Nürnberger Parteitag hatte die SPD die Umrüstung der Bundeswehr auf eine „strukturelle Nichtangriffsfähigkeit“ als Leitlinie beschlossen. Mit dem Konzept versucht der SPD–Politiker, auf die geburtenschwachen Jahrgänge in den 90er Jahren und auf die „Glaubwürdigkeitslücke der NATO–Strategie“ zu reagieren. Die NATO–Strategie sieht einen Ersteinsatz von Atomwaffen bereits nach drei bis fünf Tagen „konventioneller Verteidigung“ vor. Nach der Verwirklichung seines Bundeswehr– Konzeptes will von Bülow auf die Drohung mit dem Ersteinsatz von Atomwaffen verzichten. Die Bundeswehr soll von einer „Panzermonostruktur“ auf eine „vernetzte Doppelstruktur“ umgebaut werden: Sogenannte „Heimatschutzregimenter“ sollen einen Teil der gepanzerten Verbände ersetzen. Vor allem an der Ostgrenze der BRD sollen diese Heimatschutzregimenter zusammen mit den übriggebliebenen Panzerverbänden ein „Schild“ bilden. Bewaffnet würden die Heimatschutzregimenter u.a. mit hochmodernen Panzerabwehrwaffen, Anti–Tiefflieger–Systemen oder „sensorgesteuerten Richtminen“. Ihre „Präsenzstärke“ in Friedenszeiten soll sehr niedrig sein (8–10 Ernstfall“ sollen sie „binnen Stunden durch ortsnah wohnende Reservisten aufgefüllt“ werden. In Heimatschutzregimentern sollen junge Männer nur 12 Monate Kriegsdienst tun und jedes Jahr zu längeren Reserveübungen herangezogen werden. In den gepanzerten Verbänden soll demgegenüber 15 Monate Kriegsdienst geleistet werden. Die Luftwaffe will der SPD–Politiker jedoch beibehalten. Erst durch diese Umrüstung werde die BRD „abrüstungsfähig“, betonte von Bülow. Besonderen Wert legte der SPD–Politiker auf die „politische Dimension“ seines Vorschlags: Der schrittweise Rückzug sowjetischer Truppen aus der DDR werde durch diese Umstrukturierung politisch denkbar. In Osteuropa stießen dies Gedanken auf „massives Interesse“, sagte von Bülow. Offen bieb jedoch, ob allein eine auf „strukturelle Nicht– Angriffsfähigkeit“ umgerüstete Bundeswehr im Gesamtrahmen NATO politisch glaubwürdig sein kann. Auch die Gefahr einer Militarisierung der Gesellschaft durch eine Art „Heimatverteidigung“ und die alljährliche Durchschleusung einer größeren Zahl von Reservisten sieht von Bülow nicht. Er sprach im Gegenteil von der Möglichkeit einer „Zivilisierung des Militärs“.