Der Fall Hasenfus weitet sich zur Affäre aus

■ Der erste Kriegsgefangene Nicaraguas packt weiter aus / Abgeschossener Copilot flog geheime Militärbasen in den USA an / Pentagon hatte 1985 die Southern Air Company unter Vertrag / Hasenfus wird in Managua vor „antisomozistisches Volkstribunal“ gestellt

Von Thomas Schmid

Berlin (taz) - Je mehr Eugene Hasenfus, der erste amerikanische Kriegsgefangene in Nicaragua, ausplaudert, desto mehr Dementis hagelt es aus Washington. Hasenfus, der am 6. Oktober den Abschuß seines Flugzeugs, das Kriegsmaterial für die Contra transportierte, überlebte, gab bei seinen Verhören in Managua an, er sei davon überzeugt gewesen, im Auftrag der US–Regierung oder des CIA zu handeln. Für 3.000 Dollar monatlich sei er angeworben worden, um Materiallieferungen für die Contra durchzuführen. Die Abwicklung dieser Geschäfte sei auf dem salvadorianischen Luftwaffenstützpunkt Ilopango von einem gewissen Max Gomez überwacht worden. Dieser wiederum sei ein ehemaliger CIA–Agent und „Freund des US– Vizepräsidenten Georg Bush“ gewesen. Bush hat inzwischen verlauten lassen, daß Gomez als Counterinsurgency–Spezialist die salvadorianische Luftwaffe berate. Private Contra–Hilfe Das US–Nachrichtenmagazin Newsweek geht davon aus, daß Angehörige der US–Regierung bei der Schaffung eines privaten militärischen Versorgungsnetzes für die Contra unter Mißachtung amerikanischer Gesetze mitgewirkt haben. In der Tat deutet immer mehr darauf hin. So geht etwa aus den Dokumenten, die im abge stürzten Flugzeug gefunden und auch US–Journalisten zugänglich gemacht wurden, hervor, daß der Copilot, der beim Abschuß der Machine ums Leben kam, Wallace Blaine Sawyer, für dieselbe Fluggesellschaft - Southern Air Transport - auch zivile Flüge in die US–Basis Mercury (Nevada) geflogen war. Diese Basis ist absolutes Sperrgebiet, weil dort offensichtlich topgeheim neue Militärflugzeuge, strategische Bomber und atomare Waffen entwickelt und getestet werden. Zudem geht aus den Dokumenten hervor, daß Southern Air Transport im Rahmen der legalen „humanitären“ Contra–Hilfe der USA Verträge mit der US–Regierung hatte, die ihr die Benutzung von militärischen Basen der USA in Honduras ermöglichte und auch den Zugang zu Flughäfen in El Salvador und Costa Rica erleichterte. Ein Sprecher des Pentagon hat inzwischen bestätigt, daß Southern Air Company im letzten Jahr vom US–Verteidigungsministerium mit Aufträgen in Höhe von 11 Millionen Dollar betraut wurde. Gute Nachbarschaft Nach Angaben der Sandinisten geht aus den Dokumenten, die bei Sawyer und dem ebenfalls getöteten Piloten Cooper gefunden wurden, weiter hervor, daß diese mit dem US–Obersten Steele und David Passage, einem hochrangigen Angehörigen der US–Botschaft in San Salvador, in Verbindung gestanden haben. Keines der Dokumente weise übrigens darauf hin, daß der Pilot der abgeschossenen C–123 Funkkontakt mit dem US– Luftwaffenstützpunkt Palmerola (Honduras) hatte. Doch geht aus den Bordbüchern hervor, daß die Maschine bei ihren verschiedenen Flügen nie in Palmerola, sondern nur in Aguacate, einem von US– Militärs in Zentralhonduras ausgebauten Flugplatz landete, der als Nachschubbasis für die Versorgung der Contra gilt. Hasenfus, der den nicaraguanischen Stellen 20 Namen von angeblichen CIA–Mitarbeitern samt ihren Adressen und Telefonnummern in Honduras und El Salvador angegeben hat, verriet den Sandinisten auch die Adresse seiner eigenen Bleibe in San Salvador. Das Haus liegt just dem Haus des Militärattaches der US–Botschaft gegenüber. Nachbarn erzählten US– Reportern, daß dort zu jeder Tag– und Nachtzeit „Gringos“ (abschätzig Bezeichnung für US– Amerikaner) ein– und ausgingen, oft auch in Uniform. Nach der Gefangennahme von Hasenfus sei eine Antenne vom Dach des Hauses entfernt worden. USA in Dementi–Not Die Enthüllungen Hasenfus sind inzwischen so konkret und werden von Nachforschungen von US–Reportern in einer Weise abgestützt, daß sich die US–Regierung mit ihren Dementis immer schwerer tut. Gesetzwidrige Hilfeleistungen seitens offizieller US–Stellen können ernsthaft kaum mehr bestritten werden. Man darf nun gespannt sein, was der öffentliche Prozeß, der gestern (nach Redaktionsschluß) vor einem „Antisomozistischen Volksgericht“ begonnen hat, noch alles zutagefördert. Fest steht vorerst nur, daß die CIA ihre Einsatzpläne und ihre organisatorischen Strukturen in Zentralamerika wird ändern müssen.