Verhöhnung

■ Einstellung der Ermittlungen gegen Angehörige des Volksgerichtshofs

Insgesamt 32 Jahre ermittelte die Justiz gegen 577 Staatsanwälte und Richter, die am Volksgerichtshof in den Jahren 1934 bis 1945 insgesamt 7000 Urteile, darunter mindestens 5243 Todesurteile fällten. Das Ergebnis dieser Ermittlungen diskreditiert nicht nur die Ermittlungsbehörden, sondern die gesamte bundesdeutsche Nachkriegsjustiz: Kein einziger Staatsanwalt oder Richter dieses Blutgerichts wird jemals von einem deutschen Gericht wegen seiner Taten belangt werden. Bei allen Beteuerungen des Berliner Justizsenators Scholz bleiben Zweifel, ob der jetzt veröffentlichte Einstellungsbeschluß nicht doch von vornherein anvisiert worden ist. Jedenfalls paßt er ganz gut in die Analen der deutschen Justizgeschichte. Als „Selbstreinigungsprozeß“. Denn erstmals wurde im Zuge der jetzt eingestellten Ermittlungen justiziell festgeschrieben, daß der Volksgerichtshof mindestens seit 1942, seit Freisler den Vorsitz führte, ein Scheingericht war und somit die daran Mitwirkenden keine Richter und Staatsanwälte, sondern Kriminelle und Mörder. In die Rechtsgeschichte wird diese Feststellung eingehen. Sie wird für immer auch eine Verhöhnung der Opfer des Volksgerichtshofs bleiben, eine Verhöhnung auch des Widerstands, weil die Täter der Justiz nie belangt wurden und die meisten von ihnen auch noch Karriere in der Nachkriegsjustiz machen konnten. Max Thomas Mehr