Lex Rebmann

■ Zur Einführung eines Kronzeugen

Wo gehobelt wird, so will es der Volksmund, da fallen auch Späne. Die Bundesregierung, volksnah wie sie ist, machte sich gestern diese Auffassung noch einmal nachhaltig zu eigen und fing an zu hobeln. Bearbeitungsgegenstand ist das Strafgesetzbuch, zur Disposition steht ein Pfeiler des deutschen Strafrechts: das Legalitätsprinzip. Angesägt wird dieser Pfeiler mittels eines neueinzuführenden Rechtsinstituts aus dem angloamerikanischen Recht: dem Kronzeugen. Der Kronzeuge ist ein Straftäter, der auspackt und als Gegenleistung dafür unter den Schutz der Krone gestellt wird, d.h. straffrei ausgeht. Da die Volksmeinung angeblich Taten sehen will, bekommt sie nun den Kronzeugen präsentiert: Der Denunziant erhält die Weihen des Rechtsstaates, zeitlich befristet auf drei Jahre. Begründet wird dieser Schritt mit den angeblich guten Erfahrungen, die der italienische Staat im „Kampf gegen den Terrorismus“ mit der Einführung des Kronzeugen gemacht haben soll. Dies ist umso absurder, als in Italien ein Abrücken von dieser Regelung unübersehbar ist, gerade weil die Justiz mit ihren Kronzeugen mehrfach voll auf den Bauch gefallen ist. Es ist nun einmal die hervorstechendste Eigenschaft von Denunzianten, daß sie erzählen was immer gewünscht wird, um ihren Kopf zu retten. Das dies von den Tatsachen oft meilenweit entfernt ist, mußten italienische Richter immer wieder zur Kenntnis nehmen. Dabei ging es in Italien immer nur um einen Abschlag. Ein Drittel bis maximal die Hälfte der Strafe konnte gegen entsprechende Aussagen eingetauscht werden. Die Bundesregierung geht gleich aufs ganze und bietet Strafverschonung in vollem Umfang. Noch ist nicht endgültig entschieden, wer über die Ausstellung des Blankoschecks entscheidet, es sieht aber so aus, als wenn die Bundesanwaltschaft als operierende Behörde freie Hand bekommt. Damit hätte Rebmann endlich einen Knüppel in der Hand, der es ihm ermöglicht, die Regie in den politischen Prozessen vollends zu übernehmen. Jürgen Gottschlich