Rebmann kriegt seinen Kronzeugen

■ Innenminister der Länder verständigen sich auf die Einführung der Kronzeugenregelung / FDP nicht länger dagegen / Bundesanwalt oder Gerichte sollen im Einzelfall entscheiden / CDU–Kommissionsmitglied Olderog erwartet keinen Fahndungsdurchbruch

Von U. Sieber und O. Tolmein

Bonn (taz) - Die Bundesregierung ist entschlossen, nach italienischem Vorbild eine Kronzeugenregelung gegen die RAF einzuführen. Innenminister Zimmermann sagte gestern im Anschluß an eine Sondersitzung der Innenminister der Bundesländer in Bonn, die von Kanzleramtminister Schäuble geleitete Arbeitsgruppe werde sich am Mittwoch über diesen Schritt verständigen. Die CDU–geführten Bundeslän der forderten die Bundesregierung einstimmig auf, „alle Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung voll auszuschöpfen“. Dazu zähle auch die Kronzeugen–Regelung, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz (IMK), der bayerische Inneminister Hillermeier. Justizminister Engelhard (FDP) verbreitete gestern eine Erklärung, in der die - zeitlich befristete Einführung - einer Kronzeugen–Regelung ausdrücklich befürwortet wird. „Wir müssen bei der Terrorismusbekämpfung in die Offensive gehen, und hier darf auch eine Kronzeugenregelung kein Tabu sein“, so der Schlußsatz der Erklärung. FDP– Generalskretär Haussmann hat bereits am Montag erklärt, die FDP sei für die Einführung einer Kronzeugen–Regelung „offen“. Zu den Einzelheiten sagte Hillermeier, notwendig sei „kein starres“, sondern ein „sehr flexibles System“, um auf die „Täterlage“ reagieren zu können. Das solle „eine Mischform zwischen gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Entscheidungen“ beinhalten. Deutlicher äußerte sich der Pressesprecher im Justizministerium, Schmidt: Da aufgrund des Paragraphen 129 a die Bundes anwaltschaft für die Strafverfolgung zuständig sei, müsse sie auch die Möglichkeit haben, jemanden zum Kronzeugen zu machen. Auch Hillermeier sprach von einer zeitlichen Begrenzung auf zwei oder drei Jahre. Die CDU– Länder der IMK forderten darüberhinaus, aus dem Paket der sogenannten Sicherheitsgesetze wie „Zugriffsregelung auf das Zentrale Verkehrsinformationssystem“ ZEVIS herauszunehmen und noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Das Gesetz soll der Polizei im Direktzugriff (“on line“) erlauben, die Daten von 23 Millionen bundesdeutschen Fahrzeughaltern im Kraftfahrt–Bundesamt in Flensburg anzuzapfen. Auch darauf wird sich die Arbeitsgruppe unter Schäuble aller Voraussicht nach verständigen. Ferner forderten die CDU– regierten Bundesländer die Tatbestände des § 129a auf „schwerwiegende Verstöße gegen Bahn–, Luft– und Seeverkehr, gegen Versorgungseinrichtungen und hochwertige Güter“ auszudehnen, wie Hillermeier sagte. Hintergrund seien die sich häufenden Anschläge u.a. auf Pipe–lines oder Strommasten. Auch die Anfang der 8Oer Jahre aus dem Strafgesetz gestrichenen Paragraphen 88a und 13Oa sollen nach Vorstellung der CDU–Bundesländer wieder eingeführt werden. Fortsetzung auf Seite 2 Die „Befürwortung und Anleitung zu schweren Straftaten“, so Hillermeier, sollten damit unter Strafe gestellt werden. Er gehe davon aus, daß auch diese Maßnahmen von der Schäuble–Arbeitsgruppe befürwortet würden, sagte Zimmermann. Für die SPD–regierten Bundesländer sagte der NRW–Innenminister Schnoor, das neue Fahndungskonzept der Arbeitsgruppe Kripo sei übereinstimmend angenommen worden. Einzelheiten dieses Fahndungskonzepts wurden nicht genannt. In Fragen der Gesetzesänderung habe zwischen SPD– und CDU–regierten Ländern jedoch keine Übereinstimmung erzielt werden können, betonte Schnoor. Es hätten keine konkreten Gesetzesentwürfe vorgelegen und über die Einführung einer Kronzeugen–regelung könne man nicht „im Wege des Zurufs“ entscheiden. Im übrigen seien die SPD–Länder „eher skeptisch“, ob dieser Weg richtig sei. Zu ZEVIS sagte Schnoor, die Meinungsunterschiede zwischen SPD– und CDU–Ländern bei ZEVIS hätten „ausschließlich“ auf den Umfang der Personenabfragen gezielt. Die SPD–Länder seien sich mit den CDU–Ländern immer einig gewesen, daß ein „Anschluß der Länder an ZEVIS“, die „Halterabfragen“ und eine „Personenabfrage bei der Terrorismus–Bekämpfung“ möglich sei. „Wir sind bereit, einer gesetzlichen Regelung zuzustimmen, sofern diese Bedingungen eingehalten werden“, betonte der NRW–Innenminister. Der Obmann der SPD–Bundestagsfraktion im Innenausschuß, Wilhelm Nöbel, hat die Kronzeugenregelung unterdessen als „ausgemachten Blödsinn“ bezeichnet. Seine Fraktion habe darüber zwar noch nicht abschließend beraten, aber er wage es zu prophezeien, daß sie abgelehnt würde: „Wer wollte schließlich den Hinterbliebenen erklären, daß die Mörder mit millionenschweren Taschen high–life irgendwo im Süden machen können, nur weil sie als Kronzeugen ausgesagt haben“. Positiv beurteilte dagegen der CDU–Abgeordnete Rudolf Olderog, der auch Mitglied der für Fahndungs– und Gesetzesänderungsvorschläge zuständigen CDU/CSU–Kommission ist, die Bereitschaft des Justizministers, eine Kronzeugenregelung mitzutragen. „Den großen Fahndungsdurchbruch wird sie allerdings sicher nicht bringen“. Deswegen sei in ihrer Kommission auch die Änderung der Paragraphen 129a, 315 und 316 in der Diskussion.