: Wird das Wörtchen „außerehelich“ gestrichen?
■ Bei einer Anhörung des Justizministeriums über Gewalt gegen Frauen forderten Sachverständige die Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe / Gewalt sei Machtinstrument gegen Frauen / Sie fordern darüber hinausgehend eine neue Definition des Gewaltbegriffs
Aus Bonn Ursel Sieber
Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in der Ehe sollen unter Strafe gestellt werden. Diese Forderung erhoben nahezu einmütig alle Sachverständigen, auch aus dem konservativ–politischen Lager, die Bundesjustizminister Engelhard (FDP) am Dienstagnachmittag zu einer Anhörung mit dem Titel „Gewalt gegen Frauen“ in sein Ministerium geladen hatte. Typisch war die Stellungnahme des bekannten Profes sors für Strafrecht an der Universität Tübingen, Theodor Lenckner: Es sei „gar keine Frage“, daß der Begriff „außerehelich“ aus den Paragraphen 177, 178 und 179 des Strafgesetzbuches herausgestrichen werden müsse, und zwar „so rasch wie möglich“. „Das ergibt sich zwangsläufig aus normativen und rechtssystematischen Gründen“, betonte Lenckner, der an der großen Strafrechtsreform der 6Oer Jahre mitgewirkt und damals noch gegen die Bestrafung ehelicher Vergewaltigung war. Bis heute wird nur bestraft, „wer eine Frau mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben zum außerehelichen Beischlaf“ nötigt. Ehefrauen dagegen können Vergewaltigungen durch ihre Ehemänner nur über den Umweg der Körperverletzung oder Nötigung zur Anklage bringen, und dies wird dann ausschließlich auf Antrag der Frau verfolgt (Antragsdelikt). Den außerehelichen Vergewaltigungen müssen die Staatsanwaltschaften - soweit diese bekannt werden - in jedem Falle nachgehen (Offizialdelikt). Diesen Zustand scheint man nun auch im Hause Engelhard beheben zu wollen. Der Staatssekretär im Justizministerium, Kinkel (FDP), betonte aber gleich, daß „aller Wahrscheinlichkeit nach“ erst in der nächsten Legislaturperiode ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt werde. Die Einmütigkeit unter den Sachverständigen endete allerdings mit der Diskussion über das Wie der Bestrafung ehelicher Vergewaltigung und Nötigung. So sprach sich ein Teil dafür aus, auch die eheliche Vergewaltigung nur als „Antragsdelikt“ auszugestalten. Der Ehefrau müsse beim Verfahren eine ausreichende „Mitherrschaft“ eingeräumt werden, sagte Professor Lenckner. Und: ie „vorläufige Einstellung des Verfahrens zur Bewährung“ müsse möglicherweise eingeführt werden. Ferner müsse die Mindeststrafe von jetzt zwei auf ein Jahr gesenkt und für besonders schwere Vergewaltigungen (Gruppenvergewaltigung oder Vergewaltigung von Mädchen unter 14 Jahren) eingeführt werden, so Lenckner weiter. Demgegenüber forderte der Bremer Jugendrichter von Schönfeldt eine „Privilegierung“ der ehelichen Vergewaltigung, die dann mit einem geringeren Strafmaß belegt würde. Auch müßten die Richter bei einer Verständigung der Eheleute von einer Strafverfolgung absehen können. Der größere Teil der sich zu Wort meldenden Sachverständigen plädierte jedoch gegen die Form eines Antrags– und für die Form eines Offizialdelikts. Ersteres sei „wieder ein Hintertürchen für Männer“, so der Bremer Staatsanwalt Hoff, etwas „nicht so zu bestrafen, wie es bestraft werden müßte“. Der Druck auf die Frauen, die Anzeige zurückzunehmen, wäre sehr groß. Barbara Paetow ergänzte, bei einem Antragsdelikt wäre „der Schwarze Peter“, z.B. für die Zerstörung der Familie, wieder bei den Frauen, und „die eheliche Vergewaltigung wird wieder auf die private Schiene geschoben“. Obwohl das Justizministerium seinen Fragenkatalog allein auf die eheliche Vergewaltigung zugeschnitten hatte, ging ungefähr ein Drittel der geladenen Sachverständigen sehr viel weiter. Auch die orale und anale Penetration sollte als Vergewaltigung bestraft werden und nicht mehr nur als sexuelle Nötigung gelten, so u.a. die Sozialwissenschaftlerin Luise Teubner. Der „minderschwere Fall“ von Vergewaltigung müsse gestrichen und „der Gewaltbegriff neu definiert“ werden. Maßstab müsse allein das Nein einer Frau sein, betonte sie. Dem nachzugeben dürfte dem Justizministerium allerdings sehr viel mehr Probleme bereiten.
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