Grüne Gewerkschafter in Dissens verzettelt

■ Während des IGM–Gewerkschaftstages kreuzten sich Siggi Fries und Willi Hoss auf zwei parteiinternen Abendveranstaltungen Fries verbreitet Platitüden / Hoss will flexible Arbeitszeit vor dem Hintergrund neuer Lebenskontraste diskutieren

Von Maria Kniesburges

Hamburg (taz) - Müßig, das organisatorische Chaos, das die Grünen bei der Erstellung des protokollarischen Ablaufs ihrer Selbstdarstellung auf dem Gewerkschaftstag der IG Metall in Hamburg produzierten, noch en detail aufzudröseln. Ergebnis für die Präsentation der neuen sozialen Bewegung im Kreise dieses kämpferischen Teils der bundesrepublikanischen Arbeiterbewegung: Chance vertan. Und das, obwohl sich die Grünen - anders als SPD, CDU und DKP - dazu verstanden, statt einem gleich zwei Parteiabende im Verlauf des Gewerkschaftstages durchzuführen. Quantität ist noch immer nicht gleich Qualität. Beginnen wir mit Parteiabend Nummer 1 am Sonntagabend nach Auftakt des Gewerkschaftstages, beschlossen und abgesegnet vom Bundesvorstand der Grünen in Bonn. Auf dem Podium für die „Bundesarbeitsgemeinschaft Grüne und Gewerkschafter/innen“ (BAG): Siggi Fries. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich vor den rund 80 Kolleginnen und Kollegen im Raum in einer ganzen Reihe von Selbstverständlichkeiten zu ergehen und ließ es sich nicht nehmen, in aller Deutlichkeit zu erklären: „Die Grünen begrüßen es, daß die IG Metall trotz Paragraph 116 die nächste Arbeitszeitrunde einläutet.“ Auch, so gab die Vertreterin der BAG überraschend zu verstehen, unterstützten die Grünen die Forderung nach Einführung der 35–Stunden–Woche „als gesellschaftlich wichtiges Ziel“. Die 35–Stunden–Woche, so wollte die Gewerkschafterin der Grünen die Sozialdemokraten überflügeln, könne „jedoch nur ein Einstieg in weitergehende Arbeitszeitverkürzungen sein“. Der Informationswert stieg, als sie auf Gesetzesentwürfe der Grünen wie den gegen die Aussperrung verwies. Der Kollege Willi Hoss, Grüner Fraktionssprecher stand unterdessen vor der Tür des Versammlungsraums, im Gespräch vertieft - und bereicherte diesen ersten Parteiabend der Grünen trotz Aufforderung der Versammlungsleitung auch im weiteren Diskussionsverlauf nicht durch Anwesenheit „im“ Saal. Er trug bereits den Plan eines zweiten Parteiabends im Herzen, der am Dienstag dann auch vom Bundesvorstand der Grünen in Bonn abgesegnet wurde. Als Re präsentanten der Partei, so befand der Bundesvorstand, sollten diesmal Willi Hoss und Siggi Fries auftreten - ohne beide allerdings zuvor nach ihrem Einverständnis gefragt zu haben. Am Donnerstagabend, zum Parteiabend Nummer 2, waren Willi Hoss und Siggi Fries dann immerhin beide im Saal anzutreffen, statt sich auf Saal und Empfangshalle zu verteilen. Willi Hoss, der die Veranstaltung eröffnete, hatte die Aufmerksamkeit der etwa 40 Zuhörer im Saal auf seiner Seite, nachdem er bekannte Gemeinsamkeiten wie die Forderung nach der 35–Stunden–Woche in einem ersten Halbsatz als „daccord“ abgehakt hatte. „Die traditionelle Arbeiterbewegung“, so der ehemalige Automobilarbeiter, habe viele soziale Errungenschaften erkämpft. Dringend nötig sei es jedoch, einen stärkeren Zugriff darauf zu erstreiten, „was“ da in Entscheidungshoheit der Unternehmer nach gesellschaftlich und umwelt politisch völlig unvernünftigen Kriterien hergestellt werde. Das sei eine der zentralen Ziele der Umweltpartei. „Flexibilisierung der Arbeitszeit“, so Hoss, müsse vor allem unter einem Gesichtspunkt diskutiert werden: „die stärkere Verfügungsfreiheit des Einzelnen über seine freie Zeit.“ Für den Lebensrhythmus der abhängig Beschäftigten dürfe nicht weiterhin nur die Uhr der Arbeitgeber den Takt schlagen. Es müßten Bedingungen zur Realisierung neuer Lebenskonzepte geschaffen werden, wie sie die neuen sozialen Bewegungen als konkrete Utopie entwickelt hätten. Die Diskussion über diese greifbaren Anknüpfungspunkte einer produktiven Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Grünen wurde durch das folgende Statement der BAG–Sprecherin zunächst in die weitere Zukunft verschoben. Siggi Fries erteilte jeglicher Diskussion über flexiblere Arbeitszeiten eine klare Absage, um an der kämpferischen Forderung nach dem 7–Stunden– Tag festzuhalten. Ein Einlassen auf Flexibilisierungsdebatten komme den Arbeitgebern nur gelegen. Der offenkundige Umstand, daß sich die überwiegende Zahl der Versammelten sehr wohl über die Schwierigkeit im Klaren war, einen von den Arbeitgebern besetzten Begriff wie „Flexibilisierung“ für sich positiv zu wenden, förderte die Diskussionsbereitschaft in diese Richtung nicht. So blieb es am Parteiabend bei einer Groteske, die den ehemaligen Chefredakteur der IG–Metall– Mitgliederzeitung „Metall“, Jakob Moneta, in der nüchternen Feststellung an Siggi Fries auf den Punkt brachte: In Sachen neue, flexiblere Arbeitszeitgestaltung „gibt es eine Übereinstimmung zwischen Franz Steinkühler und Willi Hoss, aber keine Übereinstimmung zwischen Willi und dir“. Anzeige