Rau will US–Steuerkonzept abkupfern

■ Rau auf einer Pressekonferenz vor dem Wahlparteitag für „Steuergerechtigkeit“ und Vereinfachung / Mehr Kindergeld statt Kinderfreibeträgen / Heute Anträge zu Abrüstung und Ausstieg / Honig für Baden

Aus Offenburg Tina Stadlmayer

„Die Lasten gerecht auf starke und schwache Schultern verteilen - Arbeit soll sich wieder lohnen“, so lautet das Steuerkonzept, mit dem Kanzlerkandidat Rau nun die Bundestagswahl gewinnen will. Auf der Pressekonferenz im Vorfeld des Offenburger Wahlparteitages der SPD ging es weder um Kernkraft noch um Arbeitslosigkeit, sondern nur um eines: um Steuerpolitik. „Diese Bundesregierung ist eine Steuererhöhungs– und Abgaben–Regierung“, verkündete Rau. Und was will die SPD? „Unser Konzept greift die Grundidee der US–Reform auf: Mehr Steuergerechtigkeit und Vereinfachung des Steuerrechts“, so der Kandidat. „Arbeit soll sich wieder lohnen“, dieses Motto klingt fast genauso wie der CDU–Slogan „Leistung soll sich wieder lohnen“. Dazu Johannes Rau: „Wir sagen nicht „Leistung“, weil es ja auch Menschen gibt, die nichts mehr leisten können. Außerdem gehören bei der CDU zu „Leistung“ auch Vermögenswerte und deren Rendite. Dieser Unterschied zur CDU wurde von Ingrid Matthäus–Maier abgeschwächt: „Durch unser Steuerkonzept werden alle entlastet, auch die Spitzenverdiener. Allerdings wollen wir oben weniger entlasten als unten. Unser Konzept ist nicht nur gerechter, sondern auch ökonomisch sinnvoller als das von Stoltenberg: Wenn die Wenigerverdienenden auch weniger Steuern zahlen, tragen sie das Geld ins Kaufhaus um die Ecke, was wiederum der Gesamtwirtschaft zugute kommt.“ Die Senkung der Einkommenssteuer führe außerdem dazu, daß kleine und mittlere Unternehmen wieder mehr in den Betrieb investierten. Die einzige Frau auf dem Podium durfte dann auch den „Familienaspekt“ des Steuerkonzepts erläutern. Die SPD will die Kinderfreibeträge durch eine Anhebung des Kindergeldes ersetzen. Ingrid Mathäus–Meier:“Jedes Kind muß dem Staat gleich lieb und gleich teuer sein.“ Die SPD plant außerdem eine Ergänzungsabgabe von fünf Prozent für Besserverdienende. Wer denn dieses Steuerkonzept als Fi nanzminister im Kabinett vertreten werde, wollte einer der Journalisten wissen. Darauf Rau: „Die Vereidigung des Finanzministers ist erst im Februar, dem will ich nicht vorgreifen.“ Warum die SPD plötzlich das Thema Steuern so in den Vordergrund rücke, ob das die Folge des verheerenden Wahlergebnisses in Bayern sei, lautete eine andere Frage. Nein, sagte Rau, die Steuerreform habe er schon lange als wichtig erkannt. Im übrigen ändere sich auch nach der Bayern– Wahl nichts am Wahlkampfkonzept seiner Partei. Der Parteitag soll morgen einen Initiativantrag verabschieden, in dem die beiden Weltmächte aufgefordert werden, die Abschaffung der Mittelstreckenraketen zu vereinbaren. In dem Antrag heißt es: „Das Treffen in Reykjavik hat deutlich gemacht: Abrüstung ist an SDI gescheitert. Das bedeutet: Abrüstung muß vorangetrieben werden, auch wenn die beiden Weltmächte es weiterhin nicht schaffen, die Abschaffung der strategischen Interkontinentalraketen und die Verhinderung der Rüstung im Weltraum zu verbinden.“ Die Verwirklichung der Menschenrechte - und dabei insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung - in den kommunistischen Staaten hat der SPD– Vorstand gefordert. Damit unterstützen die Sozialdemokraten zugleich eine Erklärung, die vor kurzem von Friedensinitiativen und Menschenrechtsgruppen sowie Anhängern der demokratischen und sozialistischen Opposition aus Ungarn, der CSSR, Polens und der DDR zum dreißigsten Jahrestag des Ungarn–Aufstands veröffentlicht worden war. Die SPD sei mit allen solidarisch, die für die Verwirklichung dieser Prinzipien eintreten. In einem weiteren Antrag wird Johannes Rau aufgefordert, die Formulierung „Ausstieg aus der Kernenergie innerhalb der nächsten zehn Jahre“ in sein Regierungsprogramm aufzunehmen. Am Ende der Pressekonferenz lüftete Rau noch ein weiteres Geheimnis: Warum der Wahlparteitag ausgerechnet im badischen Offenburg stattfindet. „Weil hier besonders fleißige Menschen und besonders ehrliche Steuerzahler wohnen.“