„Kein Kaffeekränzchen mit Sahnebaiser“

■ Das Berliner Symposium „Gegen Gewalt gegen Frauen“ wurde mit einer Podiumsdiskussion eröffnet, an der neben Vertreterinnen der Frauenbewegung auch Familienministerin Süssmuth (CDU) teilnahm / Heftige Angriffe gegen Süssmuth

Von Helga Lukoschat

Berlin (taz) - „Wenn ich das Gefühl der Ausgrenzung habe, als Frau, dann hab ichs hier“, Frauen– und Familienministerin Rita Süssmuth zeigte sich verärgert über ihr ausschließlich weibliches Publikum und den Empfang, der ihr zur Eröffnungsveranstaltung des Symposiums „Gegen Gewalt gegen Frauen“ vergangenen Freitag in Berlin bereitet wurde. Denn die mehreren hundert Frauen, die zur Podiumsdiskussion „Frauen wollen keine Opfer mehr sein“ in das Audimax der Technischen Universität gekommen waren quittierten nahezu jede Äußerung mit Zwischenrufen, Pfiffen oder Gelächter. Die Frauenministerin fühlte sich unerwarteterweise als Opfer - der „Feindseeligkeit“ und „Intoleranz“ der Berliner Frauenszene, die sich entschlossen hatte, sich von Lovely Rita nicht bezaubern zu lassen. Konkreten Anlaß für Podiumsdiskussion mit zahlreicher frauenpolitischer Prominenz und das anschließende zweitägige Symposium, organisiert von Berliner Frauenprojekten mit Unterstützung der AL und des AStA der TU, bildete das zehnjährige Bestehen des ersten Berliner Frauenhauses. Mit einer Aktion der Projektfrauen begann dann auch der Freitag nachmittag: Vor den laufenden Kameras wurden überall im Raum Transparente entrollt, die auf die völlig unzureichende Unterstützung der autonomen Frauenhäuser durch den Berliner Senat aufmerksam machten. Der Senat will die Eigenbeteiligung der Frauen an den Aufenthaltskosten in Frauenhäusern sogar noch drastisch erhöhen. Für ein 19 qm großes Zimmer beispielsweise, das sich drei Frauen mit fünf Kindern teilen müssen, sollen sie statt bisher 300 DM rund 500 DM bezahlen. In ihrem Eröffnungsbeitrag konzentrierte sich Ministerin Süssmuth - zum Unwillen des Publikums, das Grundsätzlicheres erwartet hatte, - auf die Problematik „Frauenhäuser“ und versuchte, die „intensiven Bemühungen“ der Bundesregierung ins rechte Licht zu rücken. Eine Arbeitsgruppe ihres Ministeriums befasse sich seit langem mit der Frage der bundesweit einheitlichen Finanzierung und der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern, eine weitere mit Förderungsmöglichkeiten für Nachberatung und ambulante Beratungsstellen. Als „sehr positiven Ansatz“ wertete sie schließlich die elf bestehenden „Selbsthilfegruppen von Männern“ und kündigte für diese umfangreiche Förderungsmittel an. Da war das Publikum jedoch anderer Ansicht. Vera Slupik faßte auf dem Podium die Stimmung zusammen: „Wir müssen uns von diesen Vorschlägen verscheißert fühlen.“ Auch die „Mischfinanzierung“ zwischen Bund und Ländern sei nicht so problematisch und mühsam durchzusetzen, wie Frau Süssmuth es darstelle. Mit ihren „konkretistischen“ Vorschlägen stehle sie sich aus der politischen Auseinandersetzung. „Tatsache ist, daß sich nichts geändert hat in diesem Land, seit Sie Frauenministerin sind!“ rief Vera Slupik unter stürmischem Applaus. Frau Süssmuth behaupte von sich, Feministin zu sein, doch: „Sie sind die Symbolfigur des Modernisierungsschubs, den die CDU durchmacht.“ Die Ministerin reagierte gereizt, weigerte sich, expressis verbis, dazu Stellung zu nehmen. Nachdem sie beleidigt angedroht hatte, sie könne auch gleich den Raum verlassen, entschloß sie sich dann noch, die Fortschritte ihrer Politik aufzuzählen: der prophezeite Rückzug der Frauen aus dem Arbeitsmarkt sei nicht erfolgt; mit der Anrechnung des Babyjahres auf die Rente werde endlich die Erziehungsarbeit von Frauen anerkannt; und frauenfreundliche Regelungen würden mit den veränderten Öffnungszeiten der Kindergärten angestrebt. Punkt für Punkt, ob Arbeitsmarkt– oder Familienpolitik wurde ihre Bilanz in Teamarbeit von Waltraud Schoppe, Sibylle Plogstedt, Mechthild Jansen und Vera Slupik auseinandergenommen. Unterstützung kam lediglich von der Berliner Familiensenatorin Schmalz–Jacobsen, die sich bemüßigt fühlte, einen „Entlastungsangriff zu fahren“, und von der Frauenbeauftragten Carola von Braun, die in der Diskussion die Chance vertan sah, daß sich autonome Frauen und Frauen in den Institutionen auf gemeinsame Strategien verständigen könnten. Denn auch die von Rita Süssmuth ausgesprochene Erwartung, sie könne „Ideen“ und „konkrete Vorschläge“ von dieser Veranstaltung mitnehmen, sah Carola von Braun nicht erfüllt. Auf das sattsam bekannte Argument, daß das Aufstellen radikaler Forderungen eine Sache sei, die konkrete, mühsame Durchsetzungspolitik jedoch eine ganz andere, kam der Einspruch aus dem Publikum, warum es z.B. mit der Kronzeugenregelung so schnell gehe, nicht dagegen mit Opferschutz und Gesetzesänderungen zur Vergewaltigung. Daß Rita Süussmuth nicht vor der „Arroganz der Herrschenden“ gefeit ist, zeigte ihr Einwurf, daß die Frauen– und Friedensbewegung mit ihren Forderungen ja auch nichts erreicht habe: „Davon bewegt sich in der Weltgeschichte gar nichts.“ In der „internen“ Diskussion, die sich nach dem bezeichnenderweise geschlossenen Abgang von Süssmuth, Schmalz–Jacobsen und von Braun noch kurz entwickelte, tauchte dann auch die Frage auf, wie Feministinnen künftig mit Frauen aus Parteien umgehen können, wenn diese eine „partialen Feminismus“ verfolgten, der aber letztlich Parteiraison und Herrschaftsinteresse untergeordnet wird. Vereinzelten Stimmen, die die Umgangsformen dann doch zu feindselig fanden, hielt Vera Slupik entgegen, die Veranstaltung sei schließlich nicht als „Kaffeekränzchen mit Sahnebaiser“ angelegt gewesen. Nein, von weiblichem Harmoniebedürfnis und trauter Schwesterseligkeit war an diesem Nachmittag nichts zu spüren.