Stille im Land

■ Der Protest gegen die Strafrechtsverschärfungen ist zu schwach

Als 1976 die §§ 88a und 130a ins Strafrecht eingeführt wurden, war der Proteststurm groß. Die Linke wußte, daß der Knüppel, der von den Herrschenden verbal vor allem gegen die RAF geschwungen wurde, faktisch die gesamte Opposition treffen sollte. Das „Gesetz zur Bekämpfung des Terrorismus“ wird 1986 nicht halb so erbittert bekämpft wie sein Vorläufer 1976. Die Distanzierung von der RAF scheint weit genug verinnerlicht, daß sich die kritische Öffentlichkeit heute von der Verschärfung und Erweiterung des § 129a, der Einführung der Kronzeugenregelung, der Wiedereinführung des § 130a und der Schnellverabschiedung von ZEVIS nicht mehr betroffen fühlt. Und die Stimme derer, die nicht übersehen können, daß sie zu allererst jetzt im Visier der Justiz sind, der militanten AKW–Gegner beispielsweise, ist nicht laut genug, um eine breitere Öffentlichkeit zu mobilisieren. Das ist das wirklich Fatale an dem kurz bevorstehenden, wohl kaum mehr zu stoppenden weiteren Ausbau „unseres Rechtsstaats“, zu dem die politische Justiz gehört wie der Appel zum Ei. Er vollzieht sich in bemerkenswerter und höchst bedrohlicher Stille, begleitet nur vom routinierten Protest der SPD, der nur die Effektivität der neuen Strafvorschriften in Zweifel zieht, und von der hilflos klingenden Ankündigung der Grünen, das Blitzgesetzgebungsverfahren verzögern zu wollen. Für die ebenfalls bevorstehende Verschärfung des Demonstrationsrechts und mögliche weitere Gesetzesverschärfungen nach möglichen weiteren Anschlägen läßt das Schlimmes fürchten. Oliver Tolmein