Entlarvt

■ Zur „Terrorismus“–Kooperation von Syrien und Frankreich

Als die blutige Attentatswelle zur Befreiung des Chefs der Revolutionären Libanesischen Armeefraktion (FARL), Georges Ibrahim Abdallah, im September Paris überrollte, waren die meisten französischen Politiker und Journalisten hilflos. Sie redeten und schrieben: „Krieg“. Bei aller gewollten Demonstration staatlicher Härte hielt sich einer im Chor überraschend zurück: Premierminister Jacques Chirac. Seine Minister schwiegen sowieso. Heute weiß man warum. Die in Zusammenarbeit mit den algerischen und syrischen Geheimdiensten von der französischen Regierung erreichte „Waffenruhe“ mit den nordlibanesischen FARL– Attentätern ist nicht nur ein diplomatisches Kunststück, sie spricht für einen durchaus nicht üblichen Mut zum Pragmatismus. Mit der Vereinbarung, deren halbherzige Dementis für ihren Wert bürgen, entlarvt Chirac die westliche Terrorismushetze auf exemplarische Art. Plötzlich genügt es, zwei nordlibanesische Dörfer zur Friedfertigkeit zu bewegen, und das französische Terrorismusproblem ist - bis auf weiteres - gelöst. Der Schlüsselbegriff der anti–arabischen westlichen Demagogik, der „Staatsterorrismus“, läßt sich in Frankreich fortan an der Realität nicht mehr messen. Es besteht Grund zur Hoffnung, daß sich Chirac vom nun wieder einsetzenden Geschrei jener Medien und Politiker, die den Krieg schon erklärt hatten, nicht irreführen läßt. Mit der Reaktion auf die Pariser Attentate stellt die Regierung nach der Luftraumverweigerung beim Libyen–Angriff der USA zum zweiten Mal in diesem Jahr in kritischer Situation die Gültigkeit des alten gaullistischen Primats einer unabhängigen französischen Nahost– Politik unter Beweis. Damit ist die westliche Nahost–Politik gespalten, Ronald Reagans und Margaret Thatchers „anti–terroristischer“ Politik sind Grenzen gesetzt - die Grenzen der französischen Republik. Georg Blume