Polizei probte Belagerungszustand

■ Bei der angeblichen Spurensuche zum Braunmühl–Attentat stellte die Polizei 40 Wohnungen auf den Kopf / Zwei vorübergehend Festgenommene wurden gestern wieder freigelassen / Innenstadt wie im Belagerungszustand

Düsseldorf (taz) - Bis in die Nacht hinein dauerte am Mittwoch die spektakuläre Polizeiaktion in der Düsseldorfer Kiefernstraße, bei der insgesamt 500 z.T. vermummte und mit kugelsicheren Westen ausgerüstete Polizisten 40 Wohnungen auf den Kopf stellten. Nach Angaben der Bundesanwaltschaft, die diese Großaktion initiiert hatte, stand die Razzia im Zusammenhang mit dem Attentat auf den Diplomaten Gerold von Braunmühl, wobei in den Wohnungen allerdings nicht nach verdächtigen Personen, sondern nach „Beweismitteln“ und „Spuren“ gesucht worden sei. Für diese „Suche“ war die Kiefernstraße, deren ursprünglich schon zum Abriß vorgesehenen Häuser zum großen Teil von älteren Leuten, Punks, Wohngemeinschaften und Ausländern bewohnt sind, von morgens bis abends von einem großen Polizeiaufgebot abgeriegelt worden. Bis kurz vor Mitternacht schleppte die Polizei Papier und Aktenmaterial aus den Wohnungen und kontrollierte Passanten und vorbeifahrende Autos in der näheren Umgebung. „Die Innenstadt glich einer Stadt im Belagerungszustand“, beschrieb ein Mitglied der Düsseldorfer Ratsfraktion die Szene. Mit Äxten und Brecheisen hatten die Polizisten teilweise die Wohnungstüren aufgebrochen. Eine alleinstehende ältere Frau, die nach der Rückkehr vom Einkauf ihre Wohnungstür derart wiederfand, bekam von der Polizei als „Entschädigung“ einen Blumenstrauß überreicht. Eher der linken Szene zugerechnete Bewohner mußten dagegen auch Prügel einstecken. „Die kamen mit schußsicheren Westen und gezogenen Pistolen rein“, berichtet ein Bewohner der taz. „Die haben keine Erklärung abgegeben, sondern nur gesagt, ich solle mich auf die Couch setzen. Als ich das nicht sofort gemacht habe, habe ich sofort eine geschossen bekommen, einen Faustschlag ins Gesicht.“ Als die Polizei nach der mehr als 12stündigen Aktion aus den Häusern abzog, fanden viele Bewohner ihre Zimmer in völlig verwüstetem Zustand wieder. Ein Sprecher des Bundeskriminalamts zu diesen Verwüstungen: „Dazu hätten die Wohnungen ja erst einmal aufgeräumt sein müssen.“ Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, die sich in dieser Sache das alleinige Auskunftsrecht von den anderen Behörden ausbedungen hat, wollte gestern keine Auskunft über die Ergebnisse der Durchsuchungsaktion geben. Die Fahnder hätten ein „Auto (!), Kleinkalibermunition und umfangreiches Material“ sicher gestellt, das auch zum Bombenbasteln verwendet werden könne. Zwei vorübergehend festgenommene Bewohner der Kiefernstraße waren gestern wieder auf freiem Fuß. Ve.