DGB will nicht länger Kapitalist sein

■ BfG soll für zwei Milliarden an die Aachener und Münchener Versicherung gehen / BGAG bezeichnet taz–Bericht über NH–Konkurs als „kreditschädigend“

Von Wolfgang Zügel

Berlin (ap/taz) - „Die Gewerkschaftsholding BGAG und die Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) sind Willens, mit der Aachener und Münchener abzuschließen“. Mit diesen Worten bestätigte IG– Metall Sprecher Jörg Barczynski am Freitag Berichte, nach denen die gewerkschaftseigene BfG an den Versicherungskonzern, die Aachener und Münchener Beteiliguns–AG mehrheitlich verkauft wird. Die BGAG hält derzeit 89,6 Prozent an der Bank für Gemeinwirtschaft. Nach Angaben von BfG–Sprecher Gerd Müggenburg könnte das Geschäft schon im No vember perfekt gemacht werden, vorausgesetzt die Aufsichtsräte beider Seiten stimmen zu. Das für die Gemeinwirtschaft zuständige DGB–Vorstandsmitglied Helmut Teitzel rechnet nicht mit Widerstand der Gewerkschaften. Die Anteilseigner würden voraussichtlich am Dienstag über das Geschäft entscheiden. Mit dem bekannt gewordenen Verkauf bestätigt sich die Meldung der taz, nach der IG–Chemie– Chef Rappe im Funktionärskreis mitteilte, die Gewerkschaften seien bereit, auch einen Mehrheitsanteil der gewerkschaftseigenen Bank feil zu bieten. Aber den exakten Prozentsatz der Veräußerung wollte sich der IG–Metall Sprecher auch am Freitag nicht äußern. Barczynski: „Es wird die Mehrheit sein, da die Verhandlungen mit anderen Interessenten gezeigt haben, daß ein Partner für unter fünfzig Prozent nicht zu finden sein wird“. Der Kaufpreis für die BfG stehe noch nicht fest, liege aber „im Prinzip bei rund zwei Milliarden Mark, ein bißchen rauf oder runter“, sagte Barczynski. Wofür die Gewerkschaften die zwei Milliarden benötigen, steht auf einem anderen Blatt. Fortsetzung auf Seite 2 Zum einen ist die BfG aufgrund der Novellierung des Kreditwesengesetzes Ende 1984 - wie alle Banken - zu einer Kapitalerhöhung verpflichtet. Die hierfür erforderlichen finanziellen Mittel aufzubringen ist die Gewerkschaftsholding offenbar nicht willens oder nicht in der Lage. Auch brauchen die Gewerkschaften dringend Geld, um die Verpflichtungen aus dem Verkauf der Neuen Heimat einzulösen. Von seiten des Käufers gab es am Freitag weder eine Bestätigung noch ein Dementi. Der Specher der Aachener Versicherungsholding, Peter Matthiesen, erläuterte aber gleichzeitig, seine Gesellschaft sei seit Jahren auf der Suche nach Geschäftspartern, um die Monostruktur im Versicherungswesen zu beenden. Die Aachener und Münchener gehört mit einem Beitragsvolumen von 4,7 Milliarden zur fünftgrößten Versicherungsgruppe. Erst vor kurzem hatte sich die Aachener und Münchner Beteiligungs–AG von ihrem Anteil an der Colonia Versicherung getrennt. Immer noch zur Holding gehören jedoch die Aachener und Münchener Lebensversicherung AG, die gleichnamige Versicherungs AG und Rückversicherungs AG, die Cosmos Lebensversicherung AG und Cosmos Versicherungs AG, beide in Saarbrücken, sowie die Münchner Thuringia Versicherung AG. Die Versicherungsholding selbst gehört zu 20 Prozent der Londoner Royal Insurance, der Rest des Kapitals streut sich breit auf rund 15.000 Aktionäre. Mit der Beteiligung an der BfG tritt die Aachener und Münchner Versicherung in besondere Konkurrenz zur ebenfalls gewerkschaftseigenen Volksfürsorge Hamburg. Die Volksfürsorge erprobt derzeit erfolgreich ein Konzept, in den Schalterhallen der BfG Versicherungsbüros zu unterhalten, um an die BfG–Kunden direkt heranzutreten. Diesem erfolgreichen Konzept wird der neue Hausherr der BfG wohl einen Strich durch die Rechnung machen und dort Verkaufsstände der eigenen Gesellschaft einrichten. BGAG: „kreditschädigend“ Als „frei erfunden“ und „jeder Grundlage entbehrend“ hat die Neue Heimat und ein Sprecher des DGB mittlerweile die gestrige Meldung der taz zurückgewiesen, daß ein NH–Konkurs geplant sei. Nach Informationen der taz soll die Gewerkschaftsholding BGAG dem NH–Käufer Schiesser zugesichert haben, er erhalte im Falle eines Konkurses der Neuen Heimat 33 Millionen Mark. In scharfer Weise hat am Freitag der frühere Anteilseigner der Neuen Heimat, die BGAG auf die taz–Angaben reagiert. In einer in Frankfurt verbreiteten Erklärung bezeichnet die BGAG die Behauptungen als „in höchstem Maße ehrverletzend und kreditschädigend“. Der Gewerkschaftskonzern werde gegen diese Behauptung mit allen rechtlichen Mitteln vorgehen. Angesichts des „unabsehbaren wirtschaftlichen Schadens“, der durch diese „falschen Behauptungen“ angerichtet werden könnte, warnt die BGAG andere Medien ausdrücklich davor, diese Behauptung zu wiederholen oder zu verbreiten. Schiessers Generalbevollmächtigter Gottfried Wurche bezeichnete die taz–Meldung als „unerhörten Vorgang“ und sagte im Saarländischen Rundfunk, die Geschäftsführung bemühe sich zusammen mit den Gläubigerbanken, einen Konkurs abzuwenden. Man habe „umfangreiche Vorarbeiten geleistet, um den Beweis anzutreten, daß es durchaus möglich sei, die Neue Heimat zu sanieren und in den kommenden Jahren mit schwarzen Zahlen zu fahren.“ Der Vorstandsvorsitzende der Beteiligungsgesellschaft BGAG, Alfons Lappas, bezeichnete Gerüchte über einen Konkurs der NH als „blanken Quatsch“. In einem Interview der Bild–Zeitung (Samstagausgabe) erklärte Lappas: „Es gibt auch keinen Zusatz– oder Geheimvertrag, der Herrn Schiesser Gewerkschaftsgelder zusichern würde, falls die NH in Konkurs ginge.“ Inzwischen sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Konkursverschleppung bei der Neuen Heimat auch auf die neue Geschäftsführung ausgedehnt worden. Laut einer Presseerklärung haben die Verantwortlichen der Neuen Heimat der ermittelnden Hamburger Staatsanwaltschaft dagegen mitgeteilt, „daß für sie keine Veranlassung besteht, die Frage eines möglichen Konkurses kritisch zu betrachten“. Von diesem Dementi ist offenbar auch der Untersuchungsausschuß des Bonner Parlaments zur Neuen Heimat nicht überzeugt. Der Sprecher der CDU/CSU im Ausschuß, Johannes Gerster, kündigte gestern an, er werde, falls eine Vernehmung von BGAG–Chef Lappas und anderer Vorstandsmitglieder keine erschöpfenden Auskünfte zum Verkauf der Neuen Heimat erbrächten, die „Beiziehung“ der Verkaufsverträge und der Nebenabsprachen verlangen. Darin, so Gerster, werde dann wahrscheinlich auch das Wichtigste zur Absicherung im Falle eines NH–Konkurses stehen. Nach der Meldung der taz sei jetzt auch an eine Vernehmung des neuen Eigentümers Horst Schiesser zu denken. Gerster reagierte damit positiv auf den von den Grünen am Freitag erneuerten Antrag auf die Vernehmung Schiessers, der bislang von CDU/ CSU, SPD und FDP abgelehnt worden war.