Gen–Versuch in Großbritannien

■ Erster Freilandversuch mit genmanipulierten Viren in Europa, trotz mangelnder behördlicher Richtlinien

Berlin (taz) - Wie das Anfang September gegründete in Berlin ansässige „Gen–Ethische Netzwerk“ soeben bekanntgab, hat das britische Institut für Virologie in Oxford Mitte September irgendwo in England heimlich den europaweit ersten Freilandversuch mit genetisch manipulierten Lebewesen unternommen. Selbst das gewöhnlich gut informierte britische Wissenschaftsmagazin New Scientist entdeckte den seiner Meinung nach „weltersten“ Freilandversuch mit einem künstlich geschaffenen Virus dieser Art mit vierwöchiger Verspätung. Der Versuch, bei dem behandelte Viren auf ein Kohlfeld gesprüht wurden, war genehmigt worden, obwohl die zuständigen Behörden erst im Begriff sind, Richtlinien für derartige Tests zu entwickeln. Der Direktor des Instituts, David Bishop, nannte den Versuch „den Beginn einer neuen Ära“. Falls er erfolgreich ist, will Bishop dem Virus, der schon unbehandelt giftige Wirkung auf die Kohl fressende Raupe der Motte „Spodopterra exigua“ hat, giftige Gene einpflanzen, um die Wirkung des lebenden Insektizids zu erhöhen und die britischen Kohlfelder vor der gefräßigen Raupe zu schützen. Bei dem im September stattgefundenen Versuch hatten die Wissenschaftler dem Virus ein künstlich hergestelltes DNS– Stück eingepflanzt, um ihn zu kennzeichnen und von unbehandelten unterscheidbar zu machen. Die Wissenschaftler erwarten vor allem Aufschluß über die Lebensdauer des Virus. Fortsetzung auf Seite 6 Der Versuch steht außerdem in Zusammenhang mit dem Vorhaben des Instituts, in den schottischen Kiefernwäldern auf einer Fläche von einigen hundert Hektar genetisch manipulierte Viren zu versprühen, um einer Raupe, die sich in den Kiefernforsten heimisch fühlt, den Garaus zu machen. Dieser Versuch war bislang verschoben worden, offiziell, weil die Labortests noch nicht abgeschlossen sind. Wegen befürchteter Kritik und unsicherer Rechtslage scheinen die Wissenschaftler es jedoch vorgezogen zu haben, mit ihrem Experiment heimlich aufs Kohlfeld auszuweichen. In den USA ist bereits seit einiger Zeit ein künstlicher Virus im Handel. Er wird zur Impfung von Schweinen gegen die gefährliche Krankheit „Pseudorabis“, einen für Schweine tödlichen Herpes, benutzt. Der Protest von Umwelt– und Anti–Gengruppen, die in anderen Fällen sehr erfolgreich waren, konnte die Lizensierung des ihrer Meinung nach ungenügend getesteten genmanipulierten Virus nicht verhindern. Vor allem die Auswirkungen auf andere Tiere seien nicht genügend überprüft. Der Impfstoff soll nach Frankreich und Italien verkauft werden.In der BRD ist die Freisetzung genetisch veränderter Lebewesen verboten. Michael Fischer