Ex–Chef der Contra spricht gegen US–Hilfe

■ Edgar Chamorro, einstiges Führungsmitglied der Contra–Organisatio FDN, kritisiert heute die Nicaragua–Politik der USA / Chamorro steht zwischen allen Fronten

Aus Florida Stefan Schaaf

„Ein großes Durcheinander“ werde es geben, wenn die Contra die 100 Millionen Dollar Unterstützungsgelder aus den USA in Sabotageaktionen umzusetzen beginnt. Die Bewilligung der Gelder durch den Kongreß in Washington sei „sehr falsch - von einem menschlichen wie einem nicaraguanischen Standpunkt aus“. Der dies sagt, war einst eine entscheidende Figur im Bemühen der Reagan–Administration, den Sandinisten das Leben schwerzumachen. Edgar Chamorro, 55 Jahre alt, ist der bisher prominenteste Überläufer aus dem Lager der Antisandinisten in das der Contra– Kritiker. Vier Jahre lang, von 1981 bis Ende 1984, war er Mitglied im Politischen Direktorat der stärksten Contra–Organisation, der FDN. Wegen „Meinungsverschiedenheiten“ über die Kriegsführung der Contra gegen die nicaraguanische Zivilbevölkerung schied er vor zwei Jahren aus ihren Diensten, oder, wie er es nennt, aus denen der CIA, aus. Heute lebt er mit seiner Familie in Fort Lauderdale in Florida, wenn er nicht gerade einmal wieder vor Kongreßabgeordneten, Hochschülern oder Solidaritätskomitees berichtet. Sein aufenthaltsrechtlicher Status in den USA ist ungewiß, vor einem Jahr versuchte man ihn auszuweisen, doch konnten breite Proteste dies verhindern. An die Reagan–Administration hat er einen Rat: Sie solle gut darauf achten, daß die Contra–Millionen nicht in den privaten Taschen korrupter Söldnerchefs verschwänden, die die Dollars „für ihre Zweithäuser‘ verwenden würden. Mit solch sarkastischen Schlenkern vermag er das Publikum, etwa 200 Mitglieder von Lateinamerika–Komitees aus dem US–Bundesstaat Virginia, für sich einzunehmen. Voller Ironie berichtet Chamorro heute über seinen Weg vom PR–Mann einer nicaraguanischen Werbefirma über die Zwischenstation des Exils in Miami bis zur PR–Abteilung einer Armee, die nach seiner Darstellung von A bis Z eine CIA–Kreation ist. Sich selbst stellt er in jener Phase als williges Sprachrohr amerikanischer Geheimdienstagenten dar, die ihm fertige Presseerklärungen oder Briefentwürfe zur geflissentlichen Verbreitung in die Hand drückten. Später, im Gespräch, erklärt er, warum er seine eigene Rolle dabei so ins Lächerliche zu ziehen in der Lage ist. „Ich sah die Dinge damals aus einer anderen Perspektive. Wir wollten die Sandinisten von der Macht vertreiben, und die Amerikaner versicherten uns immer wieder, es werde höchstens ein Jahr dauern.“ Dies war nur eine der vielen Täuschungen, in denen seine „Assistenten“ von der CIA wahre Meister waren. Chamorros Zweifel und die Meinungsverschiedenheiten im Siebener–Direktorat der FDN wuchsen. Er legt heute Wert darauf, kein „Pro–Sandinist“ zu sein. Das wichtigste Ziel der Sandinisten sei, „die Kontrolle im Land fest in ihren Händen zu behalten“, und die neue Verfassung des Landes sei der beste Beweis für seine These. Der Krieg werde noch lange dauern, ohne daß eine der beiden Seiten die Oberhand gewinnen könne. Doch ohne seine Beendigung, ohne daß eine stabile Situation hergestellt werde, sei gar kein Diskurs über die Zukunft des Landes möglich. „Der Krieg polarisiert die Fronten“. Chamorros heutige politische Strategie bleibt sehr vage, er fordert mehr Diplomatie und weniger Kampf und vor allem weniger Kontrolle des Geschehens durch äußere Kräfte. Eine nicaraguanische Regierung nach seinen Vorstellungen würde es den Menschen ermöglichen, ihre Würde und ihren Stolz zu bewahren. Chamorro hofft, bald wieder einmal nach Nicaragua reisen zu können, in seine Heimat, in der er seit 1979 nicht mehr war.