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Dürener Atomschrottpläne geplatzt

■ Dürener Gießerei will radioaktiv verseuchten Stahlschrott nicht wiederverarbeiten / Proteste aus Bevölkerung und Parteien fruchteten / Firma bedauert erfolglose „Aufklärungsarbeit“ / Engpässe für Entsorgung erwartet

Aus Düren Bernd Müllender

Nach monatelangen Protesten der Bevölkerung, der Ablehnung aller Ratsparteien und immer neuen Fragwürdigkeiten hat die Dürener Gießerei Hoesch jetzt den Genehmigungsantrag beim Kölner Regirungspräsidenten zurückgezogen, ab 1987 pro Jahr 500 Tonnen radioaktiv verseuchten Stahlschrott aus bundesdeutschen Atomkraftwerken einzuschmelzen. Bei dem Dürener Pilotprojekt sollten AKW–Innereien umgeschmolzen werden, um daraus neue Teile für Atomanlagen zu gießen, aber auch für die Produktion von Gebrauchsgegenständen. Vertragspartner von Hoesch war das Würzburger Abrißunternehmen Noell, ein Spezialist für die Entsorgung von radioaktivem Abfall, der demnächst auch die seit 1974 stillgelegte Atomruine Niederaichbach komplett abwracken will (siehe taz vom 26.7.86). In einer Presseerklärung der Firma Hoesch hieß es gestern, der Verzicht sei eine „Konsequenz aus der Erkenntnis, daß alle Aufklärungsversuche vergeblich waren“. Möglich ist aber auch, daß Hoesch mit seinem völlig überraschenden Stopp einer Entscheidung des Regierungspräsidenten (RP) zuvorkommen wollte. Der RP hatte nämlich das für den heuti gen Mittwoch anberaumte abschließende Anhörungsverfahren kurzfristig verschoben, weil, so ein Sprecher, „eine sachgerechte und neutrale Entscheidung“ bei den bisher über 600 begründeten Einsprüchen aus der Bevölkerung noch nicht möglich gewesen sei. Mit Sicherheit aber wollte die Firma Hoesch einer weiterer Verschlechterung des Firmenimage zuvorkommen - die strahlenden Pläne hatten quer durch die bundesdeutsche Presselandschaft für erhebliches Aufsehen gesorgt. Seitens des Hoesch–Betriebsrateswar sogar von Streik die Rede. Atomschrottspezialist Noell muß sich jetzt überlegen, wo er seine brisanten Teile anstelle von Düren einschmelzen will. Die Kapazitäten der Kernforschungszentren Jülich und Karlsruhe reichen nicht mehr aus. Die Atommüllzwischenlager sind weitgehend voll. Probeschmelzungen gab es bisher bei Siempelkamp in Krefeld und einer Siegener Gießerei. Beide verfügen über einen der seltenen Hochtemperaturöfen, die für diese Zwecke notwendig sind. Die bundesdeutsche Atomindustrie rechnet, wie kürzlich auf einer Tagung des Deutschen Atomforums zu erfahren war, mit fast 1.000 Tonnen solcher „Recycling“–Abfälle pro Jahr. Die Tendenz ist steigend. Allein aus Niederaichbach fallen fast 2.000 Tonnen an.

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