Chance für die Demokraten

Washingten (taz) - Das neueste Gerücht aus Washington dreht sich um Ronald Reagans Pressesprecher Larry Speakes. Larry, der seit dem März 1981 Reagans Verbindungsmann für die Medien ist, sucht einen neuen Job. Fünf Jahre lang hat er den Kopf für den Alten hingehalten, Mauern des Schweigens errichtet, den Gipfel hinauf– und wieder hinabgestürzt: Nun hat er genug, er will mehr Knete und weniger Streß. Dies ist nur ein Symptom für die anstehenden Veränderungen am Wahlabend 1986 in Washington. Eine Ära geht zuende, die Ära Reagan. Dem Präsidenten selbst schien dies zu dämmern, als er die Wähler von 1980, die einen neuen Anfang ermöglicht hatten, bat, dafür zu sorgen, „daß wir unseren Job zuende führen können“. Stattdessen bereitet sich Reagan nun auf seinen Rückzug auf die Ranch vor, und eine neue Generation gräbt sich in die Startlöcher. Dies stimmt nicht nur für die Partei Reagans, auch die Demokraten haben den Blick längst weit nach vorne gerichtet, auf die nächsten Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren. Die Kandidaten Schon werden Kandidaten gehandelt, Gary Hart etwa, der seinen Senatssitz jetzt aufgegeben hat, um sich einen Apparat für den Präsidentschaftswahlkampf aufzubauen. Auch New Yorks Gouverneur Mario Cuomo gilt als vielversprechender Anwärter. Ein dritter Kandidat ist möglicherweise der Erfolgsmanager der letzten Jahre, Lee Iaccocca, der sich als Retter der amerikanischen Automobilindustrie feiern läßt. Keiner dieser drei ist im Kongreß in Washington vertreten, Präsidenten werden anderswo gemacht. Gerald Ford war der letzte, der vom Capitol ins Weiße Haus umgezogen war, und dies auch nur wegen der Schurkereien Nixons und seines Vizes Agnew konnte. Wer sind nun, von 1986 bis 1988 die Statthalter der Macht im Kongreß, welche Personen schicken sich an, die neu errungene Macht der Demokraten in Politik umzusetzen? An die Stelle Robert Doles tritt Robert Byrd, Senator aus West– Virginia, Mehrheitsführer der Demokraten im Senat. Byrd ist nicht unbedingt ein kämpferischer Politiker. In seiner ersten Stellungnahme in der Wahlnacht streckte er eine Hand der Versöhnung in Richtung Republikaner aus: „Wir wollen mit Präsident Reagan kooperieren, es gibt genug Probleme, die wir gemeinsam anpacken müßten.“ Und: „Wir wollen wieder einen Weg von den Extremen zurück zur Mitte finden.“ Innenpolitische Konsequenzen Auf mehreren Problemfeldern deutete Byrd allerdings bereits in seiner ersten Stellungnahme gravierende Meinungsunterschiede seiner Partei mit den Republikanern an. Er warf Reagan und seiner Mannschaft Arroganz und Hilflosigkeit vor.Als wichtigstes Problem nannte Byrd die Handelspolitik. Die Demokraten fordern schon seit längerem protektionistische Maßnahmen gegen die Importüberschüsse aus Japan und Europa. An zweiter Stelle der demokratischen Prioritätenliste steht eine Steuererhöhung, da es inzwischen als ausgeschlossen gilt, die Haushaltsdefizite anders in den Griff bekommen zu können. Eine unangenehme Neuigkeit für die Bürger und Bürgerinnen der USA, die grade vor wenigen Wochen eine weitgreifende Steuerreform präsentiert bekamen. In der Verteidigungspolitik verfahren die Demokraten nach der Devise: nicht weniger, aber anders. Das Thema hatte Gary Hart schon während des Präsidentschaftswahlkampfes 1984 aufgebracht. Seine Vorstellung einer starken und kosteneffektiven konventionellen US–Streitmacht, sind mittlerweile zur offiziellen demokratischen Verteidigungsphilosphie geworden. Dem nuklearen Aufrüstungsprogramm Reagans wird ein demokratisch kontrollierter Senat sicher Restriktionen auferlegen. SDI dagegen ist eine auch für Demokraten faszinierende Idee. Byrd bekräftigte dies in der Wahlnacht nur ein weiteres Mal. Hoffnung für die Sandinisten Und den Sandinisten? Ihnen machte Byrd leise Hoffnungen. Seine Partei werde nicht dulden, daß „ein verdeckter Krieg“ in Zentralamerika fortgesetzt werde. Militärisches Eingreifen oder ein ausschließliches Setzen auf die Contra werde es nur geben, falls andere - etwa diplomatische oder ökonomische Möglichkeit - versagt hätten. Daß den Contra harte Zeiten bevorstehen, verspricht auch die Übernahme des Geheimdienstausschusses durch Patrick Leahy, dem demokratischen Senator aus Vermont. Leahy, der bisherige stellvertretende Vorsitzende dieses Gremiums, ist wesentlich CIA–kritischer eingestellt als sein Vorgänger. Die neuen demokratischen Ausschußvorsitzenden, die durch die demokratische Senatsmehrheit an die Macht kommen werden, haben theoretisch weitreichende Möglichkeiten, die Gesetzgebung des Kongresses zu beeinflussen. Ob sie die in den nächsten zwei Jahren ausüben werden, hängt stark von ihrer jeweiligen Persönlichkeit ab. Man erwarte keine Wunder: Überdurchschnittlich stark vertreten sind konservative Südstaaten–Demokraten. Stefan Schaaf