Frankreich will chemische Waffen

■ Mitterrand, der noch zu Beginn dieses Jahres chemische Aufrüstung ablehnte, konnte sich nicht durchsetzen / „Angemessene Abschreckungskapazität“ an chemischen Waffen angestrebt

Paris (taz) - Völlig unbemerkt von Opposition und Presse hat sich in das neue militärische Rahmengesetz für die Jahre 1987–91 eine wesentliche Änderung für das französische Verteidigungskonzept eingeschlichen. Frankreich wird in Zukunft über eine „angemessene Abschreckungskapazität“ an chemischen Waffen verfügen. Seit der Entwicklung der französischen Nukleardoktrin unter de Gaulle hat Frankreich bisher auf die Produktion chemischer Waffen verzichtet. Noch im Januar dieses Jahres schrieb Francois Mitter rand in seinen „Reflektionen zur französischen Außenpolitik“, Frankreich habe zwar technische Forschungen auf diesem Gebiet betrieben, aber: „Unser Schutz begrenzt sich auf Gasmasken, Spezialanzüge und rein defensive Maßnahmen.“ Verteidigungsminister Andre Giraud unterstrich nun, daß sein Land im Falle einer chemischen Attacke frühzeitig gezwungen wäre, Atomwaffen einzusetzen. „Frankreich kann nicht definitiv auf Waffenkategorien verzichten, von denen andere Nationen meinen, sie hätten das Recht, sie zu besitzen“, heißt es im neuen Gesetz. Angenommmen werden darf, daß Mitterrand selbst seine Auffassung bezüglich chemischer Waffen nicht geändert hat, er sich aber gegenüber der Rechtsregierung nicht durchsetzen konnte. Somit werden die Grenzen seiner Einflußnahme selbst im verteidigungskonzeptionellen Bereich deutlich, der als dem Präsidenten vorbehalten gilt. Der französische Friedensforscher Christian Mellon vom Pariser für gewaltfreie Konfliktlösung bezeichnete die Entscheidung für den Bau von chemischen Waffen als „verteidigungspolitischen Wendepunkt“. Georg Blume