Faule Reform

■ Kein Opferschutz in Vergewaltigungsprozessen

„Mehr Opferschutz“ und „Schutz und Hilfe für vergewaltigte Frauen“ - so wollen Regierung und SPD– Opposition ihr neues Gesetz verkaufen. Das hört sich gut an. Doch geboten werden nur kleinste Zugeständnisse, um damit grundlegenden Reformen auszuweichen. So darf in Zukunft die Öffentlichkeit auf Antrag aus dem Gerichtssaal zeitweilig ausgeschlossen werden, wenn „intime Details“ aus dem persönlichen Lebensbereich erörtert werden. Nach Auffassung der Regierenden in Bonn soll das die vergewaltigte Frau vor sensationsgeiler Presseberichterstattung schützen. Wie naiv sind Politiker eigentlich dann eben von den Verteidigern des Angeklagten besorgen. Nicht die Öffentlichkeit, sondern die entwürdigenden Fragen sind in Vergewaltigungsprozessen der Skandal. Zu wissen, wie das Sexualleben des Opfers vor der Tat war, bleibt weiterhin „unentbehrlich“. Davon hängt ihre Glaubwürdigkeit als Zeugin ab, weil die klassisch männliche Definition von Vergewaltigung unangetastet bleibt. Ihm muß nachgewiesen werden, daß er bewußt vergewaltigte, z.B. indem er starken körperlichen Widerstand brach. Das „Nein“ einer Frau zählt auch nach dieser Gesetzes“reform“ nicht. Das Verfahrensrecht greift grundsätzlich zu kurz, um die würdelose Behandlung des Opfers im Vergewaltigungsprozeß zu beenden. Dazu muß das Strafrecht von patriarchalischen Vorstellungen entrümpelt werden. Das wissen auch die Rechtspolitiker in Bonn. Aber davor haben sie Angst. Dann nämlich wäre das Thema im Vergewaltigungsprozeß nicht mehr das sexuelle „Vorleben“ der Frau, sondern die Sexualität des Mannes. Gunhild Schöller