Kohl: „Auf den Punkt gebracht“

■ Abschrift des Newsweek–Interviews bestätigt den Vergleich Kohls zwischen Gorbatschow und Goebbels Interpretationskünste von Regierungssprecher Ost / SPD beantragt eine neue Bundestagsdebatte

Bonn (taz)– Auch nachdem das Magazin Newsweek den umstrittenen Vergleich von Bundeskanzler Kohl zwischen dem sowjetischen Parteichef Gorbatschow und dem Nazi–Propagandaminister Goebbels im Wortlaut veröffentlicht hat (s. nebenstehenden Auszug), bleibt Kohl bei seiner Version. Der Bundeskanzler habe im Bundestag Stellung genommen, sagte Regierungssprecher Ostmehrmals vor der Bundespressekonferenz, und: „Dem habe ich nichts hinzuzufügen“. Auch bei der Frage, ob die auf dem Original–Tonband zu hörende Bemerkung Kohls - „man muß die Sache auf den Punkt bringen“ - die Absicht eines Vergleichs nicht hervorhebe, blieb Ost bei seiner Darstellung: „Das würde ich nicht sagen. Gerade der Wortlaut des jetzt veröffentlichten Interviews unterstreicht das, was der Bundeskanzler im Bundestag gesagt hat.“ Kohl war im Parlament in kargen Sätzen auf die peinliche Affäre zu sprechen gekommen und hatte wörtlich gesagt: „Das Interview in Newsweek gibt in der entsprechenden Passage Sinn und Inhalt des eineinhalbstündigen Gesprächs nicht korrekt wieder. Dabei ist der falsche Eindruck vermittelt worden, ich hätte Generalsekretär Gorbatschow persönlich mit Goebbels vergleichen wollen. Das war nicht meine Absicht.“ Fortsetzung Seite 2, Kommentar Seite 4 Zum Vorwurf an Newsweek, das Gespräch sei „nicht korrekt“ wiedergegeben worden, sagte Ost erneut, dies beziehe sich auf den Zusatz zur Charakterisierung Goebbels. (“...einer von jenen, die für die Verbrechen der Hitler–Ära verantwortlich waren...“). Außerdem zeige das Orginalband, daß der Text „komprimiert“ wiegegeben worden sei, ergänzte Ost. Hierzu hat Newsweek–Korrespondent Nagorski schon mehrfach erklärt, man habe den korrigierten englischen Interview– Text an Ost geschickt. Der habe dann in einem Anruf gebeten, eine Charaktierisierung Goebbels hin zuzufügen. Ost dagegen sagte auch gestern: „Ich bleibe bei meiner Version“. Der Zusatz zur Charaktisierung Goebbels sei mit ihm nicht abgesprochen worden. Seinen Rücktritt habe er „noch nicht“ angeboten, betonte Ost. Auf Nachfragen war er dafür, das „noch“ besser zu streichen, damit nicht zuviel spekuliert werde. Und schließlich: Die Absicht, den Rücktritt anzubieten, „habe ich nicht“. Der SPD–Vorsitzende Vogel hat Kohl unterdessen vorgeworfen, das Parlament „mit der Unwahrheit bedient“ zu haben. Zum Wortlaut der Kohl–Äußerungen sagte Vogel, dies seien Redewendungen, wie sie „zu später Stunde an einzelnen Stammtischen denkbar sein mögen“. Die SPD–Fraktion hat gestern für die kommende Woche eine Aktuelle Stunde beantragt und einen Entschließungsantrag vorgelegt: Der Bundestag soll mißbilligen, „daß der Bundeskanzler eigenes Fehlverhalten durch unberechtigte Vorwürfe gegen Dritte verdecken wollte“. Zum deutsch–sowjetischen Verhältnis sagte Vogel aber auch, „die Sache (sollte) nunmehr erledigt sein“. Eine gestern veröffentlichte Erklärung von Botschafter Kwizinskij signalisierte die Bereitschaft der UdSSR, die Sache nunmehr auf sich beruhen zu lassen. Die Grünen erklärten, der Versuch des Kanzlers „öffentlichkeitswirksame Medienschelte“ zu betreiben, sei spätestens jetzt geplatzt. Aus dem Originaltext gehe „unmißverständlich“ hervor, daß er Gorbatschow und Goebbels in einen Zusammenhang gebracht habe. Kritik erfuhr der Kohl–Vergleich noch von ganz anderer Seite. Die „Deutsche–Public Relations Gesellschaft“ fühlt sich diffamiert, weil Kohl die PR– Leute mit Goebbels und Gorbatschow in einem Atemzug nannte und übermittelte dem Bundeskanzler einen Brief. Kohl schrieb zurück, „daß ihm ein Vergleich zwischen der Goebbelschen Propagandamaschinerie und der Öffentlichkeitsarbeit einer freiheitlichen Demokratie ferne liege“. Für den Geschäftsführer der Gesellschaft aber „sind eine ganze Reihe grundlegender Fragen offengeblieben“. Ein Gespräch soll den Schlamassel klären, erst nach der Bundestagswahl allerdings. Ursel Sieber