Chance für die APO

■ Die Hamburger SPD vor der großen Koalition?

Das Hamburger Wahlergebnis zwingt die SPD nun gleich zu einer doppelten Wende: das Brandt–Wort, 45 Prozent seien doch auch ein „schöner Erfolg“, gewinnt unversehens wieder an Aktualität, das Festhalten an der absoluten Mehrheit als Wahlziel wird nach Hamburg von niemandem mehr ernst genommen werden können. Bedeutsamer aber ist das zweite Umsteuern der Sozialdemokraten: ohne großes Wenn und Aber hin zur großen Koalition. Gaben sie sich 1982 wenigstens noch den Anschein, als sei sie zu einer Reformpolitik mit der GAL bereit, so stellten sie diesmal von vornherein klar, daß es Verhandlungen nur mit der CDU geben wird. Das ist mehr als nur der Versuch, Raus Absage an jede rot– grüne Zusammenarbeit glaubhaft scheinen zu lassen. Es ist die konsequente Fortführung dessen, was sich in Fragen der Atompolitik schon lange andeutet, was die heftigen Attacken der SPD gegen Großdemonstrationen wie in Hanau und der Ruf nach Rasterfahndung immer aufs Neue belegt haben. Angesichts des Hamburger Wahlergebnisses gerinnt zur Gewißheit: der SPD ist der „nationale Konsens“, die Übereinstimmung zwischen den staatstragenden Parteien in „kapitalistischen Essentials“ wichtiger als eine Reformpolitik, die diesen Namen auch verdient. Das wird Konsequenzen haben: Eine GAL, die als einzige Oppositionspartei einem Block von 82 Prozent bürgerlichen Abgeordneten gegenübersteht, wird viel Profilierungsspielraum haben. Um zu verhindern, daß sie als lästige Minderheit von den Herrschenden ausgegrenzt wird, wird für sie noch viel wichtiger als bisher eine sie stützende außerparlamentarische Opposition sein. Oliver Tolmein