Der Rhein im Dauerstreß

■ Schwere Vorwürfe gegen Ciba–Geigy und BASF Regelmäßig Atrazin und Metazachlor eingeleitet

Berlin (taz) - Im Zuge der Ermittlungen nach der Brandkatastrophe bei Sandoz geraten jetzt auch der Schweizer Chemiekonzern Ciba–Geigy und der deutsche Chemieriese BASF zunehmend unter Beschuß. Das Öko–Institut Darmstadt erhob gestern schwere Vorwürfe gegen die beiden Unternehmen und wies nach, daß sie - bisher unbemerkt - häufig und vielleicht sogar ständig gefährliche Herbizide in den Rhein leiteten. Die Chemiker des Instituts berufen sich in Sachen Ciba–Geigy auf Untersuchungen, die vom ESWE–Institut für Wasserforschung und Wassertechnologie durchgeführt worden sind. Die hochbrisanten Ergebnisse wurden zwar in der Fachzeitschrift Vom Wasser (66. Band/86) veröffentlicht, blieben aber ohne jedes Echo. Von den Analytikern wurden laut Untersuchungsbericht zwischen Oktober 85 und Januar 86 insgesamt 34 Wasserproben aus dem Rhein entnommen. Die Proben enthielten einen mittleren Anteil des hochgiftigen Pflanzenschutzmittels Atrazin von 0,85 Mikrogramm je Liter und Maximalwerte von 1,52 Mikrogramm. Zum Vergleich: Bei den jetzigen Untersuchungen nach dem Sandoz–Unfall hatten Basler Kantonschemiker zu ihrer großen Überraschung etwa zwei Mikrogramm Atrazin gemessen. Da dieses Gift unmöglich von Sandoz stammen konnte, geriet Ciba–Geigy in Verdacht, und der Atrazin–Skandal wurde so als Nebenwirkung der Brandkatastrophe eigentlich zufällig aufgedeckt. Mit den gestern vom Öko– Institut bekanntgemachten Meßwerten wird nun augenfällig, daß die Ciba–Geigy–Einleitung von insgesamt 400 Litern, die am Tag vor dem Sandoz–Brand erfolgt sein soll, kein einmaliger Unfall war, sondern Dauerzustand am Rhein. Ciba–Geigy hat gestern offiziell die Verantwortung für die Atrazin–Einleitung übernommen. Der Konzern–Sprecher nannte das Vorkommnis „bedauerlich“ und sprach von einer Freisetzung durch eine „Havarie“. Den jetzt bekanntgewordenen Messungen zufolge wäre die Havarie Dauerzustand. Ein ähnliches Gift wie Atrazin ist das Herbizid Metazachlor, das nach den Recherchen des Darmstädter Öko–Instituts vom Ludwigshafener BASF–Konzern in den Rhein eingeleitet wird. Im Zuge der Sandoz–Welle wurde bei Messungen dieses Gift mitbestimmt. Und auch in diesem Fall existieren ESWF–Untersuchungen, die nachweisen, daß BASF über einen längeren Zeitraum Metazachlor eingeleitet hat. Über vier Monate lang wurde das Gift nachgewiesen. Mittlerer Wert: 1,2 Mikrogramm je Liter. Maximalwert: 2,7. - man - Reportage Seite 5