Sandoz–Fall: geteilte Haftung ist halbes Leid

■ Verschwieg Zürich–Versicherung Sicherheitsmängel im Chemie–Konzern ?

Von Georgia Tornow

Während die Schäden im Rhein sich durch nichts aufhalten lassen und alle Grenzen überschreiten, ist für die ökonomische Schadensbegrenzung - zumindest beim Chemie–Konzern Sandoz, dem Verursacher der Gift–Katastrophe im Rhein - bestens vorgesorgt: Schachtelkonstruktionen von Risiko–Versicherungen bewirken nicht nur eine Streuung der zu erwartenden Regreßzahlungen. Der Expertenapparat der involvierten Versicherungen wird mit Sicherheit auch dafür sorgen, daß die Entschädigungssummen kleingearbeitet werden. Verursacher und Versicherer stellen sich mit verteilten Rollen der Öffentlichkeit. Angesichts eidgenössischen Bürgerprotestes und internationaler Klagen auf Entschädigung signalisiert der Chemie–Konzern Betroffenheit. „Wir haben ein schlechtes Gewissen, ich möchte sagen, wir sind bestürzt und betrübt über das, was uns geschehen ist“, gestand Edgar Fazel, einer der Direktoren der Sandoz AG, in einem Interview mit dem kommerziellen französischen Sender Europe–1. Es sei selbstverständlich, „daß wir für die Schäden aufkommen, die durch diesen Brand entstanden sind, und für die wir verantwortlich sind“. Was sich wie ein umfassendes Eingeständnis von Schuld anhört, ist jedoch juristisch erst einmal gar nicht relevant. Auf diese Feststellung legt besonders der Gerling–Konzern Wert. Gerling hat die Federführung in einem Konsortium, zu dem sich die verschiedenen Betriebshaftpflicht– Versicherer von Sandoz zusammengeschlossen haben, als sie 1981 diesen Kunden übernahmen. Damals konkurrierte die Gruppe mit der bis dahin zuständigen „ZÜrich–Versicherung“ um den lukrativen Auftrag. Die „Zürich– Versicherung“, deren internes Dossier über Sicherheitsmängel in der Sandoz–Betriebsausstattung dem Management des Chemie–Konzerns den Vorwurf der Fahrlässigkeit eingetragen hatte, schied zwar bei der Betriebshaftpflicht aus, blieb aber weiter Feuerversicherer bei Sandoz. Dieses Engagement mutet seltsam an, waren es doch vor allem bei Feuerkatastrophen relevante Mängel, die von den Experten der „Zürich– Versicherung“ moniert worden waren, z.B. die fehlende Sprinkler–Anlage. Aus dem Gerling–Konzern wird betont, daß das Papier der Zürcher Konkurrenz selbstverständlich nicht bekannt gewesen sei. Sollten darin aber tatsächlich das Haftpflichtrisiko betreffende Äußerungen sein, wäre die Zürich–Versicherung verpflichtet gewesen, das Papier den Nachfolge–Versicherern zur Kenntnis zu geben. In funktionaler Arbeitsteilung zu den Bekenntnissen aus dem Sandoz–Konzern konzentrieren sich die Mitteilungen von Gerling derzeit vor allem auf Verfahrensfragen. Zuerst einmal müsse zweifelsfrei die Ursache für die Katastrophe geklärt werden, dann ständen die juristischen Prüfungen der Ansprüche Geschädigter an. Die Betriebshaftpflicht tritt dann ein, wenn nach dem Verursacherprinzip zweifelsfrei nachgewiesen ist, daß durch Sandoz Dritten außerhalb des Betriebsgeländes Personen–, Sach– oder Vermögensschaden entstanden ist. Fahrlässigkeit und Unterlassungen bei den anderen Beteiligten sind für das Haftpflicht–Konsortium Geld wert. Wenn nachgewiesen werden kann, - daß Sandoz Betimmungen der Betriebssicherheit verletzte und außerdem die unsachgemäße Lagerung gefährlicher Stoffe sogar noch der Versicherung verheimlichte, - daß die Zürich–Versicherung ihr bekannte Gefahren und Mängel bei Sandoz verschwiegen hat, dann sind die Haftpflicht–Versicherer von Sandoz erstmal aus dem Gröbsten heraus. Allerdings wird man hausintern wohl nach den Verantwortlichen dafür suchen, daß bei der Risikoprüfung des Sandoz–Kunden nur die Produkte des Chemie–Konzerns, nicht aber die Produktion als Schadensverursacher im Auge waren. Schließlich ist der Punkt „Mitversicherung von Gewässerschäden“ in jedem Vertragsvordruck für Betriebshaftpflicht–Versicherungen des Gerling–Konzerns unübersehbar aufgeführt. Bisher geht Gerling davon aus, daß der entstandene Schaden durch die Versicherungssumme gedeckt ist. Außerdem: Die Versicherer sind natürlich selber rückversichert