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I N T E R V I E W „Bewußte Beziehung zur Umwelt entwickeln“

■ Gespräch mit dem brasilianischen Schriftsteller und Ex–Guerillero Fernando Gabeira, der bei den Gouverneurswahlen in Rio de Janeiro für das Bündnis zwischen den Grünen (PV) und der „Arbeiterpartei“ (PT) kandidiert

taz: Ihr wollt eine „neue Politik“ machen. Was habt ihr vor? Gabeira: Als Gouverneur von Rio de Janeiro will ich ein Minimum von wichtigen Dingen realisieren, z.B. brauchen wir dringend kulturpolitische Initiativen, die in den letzten 20 Jahren unter der Militärdiktatur nicht möglich gewesen sind. Unsere Wahlkampagne stand unter dem Slogan: „Laßt hundert Blumen blühen.“ Wir wollten eine Mobilisierung mit dem Ziel einer aktiven Teilnahme aller Teile der Gesellschaft an den zukünftigen Regierungsentscheidungen. Zusammengefaßt wollen wir erstens die Gesellschaft demokratisieren und zweitens zwei Ziele, die die PT (Arbeiterpartei) und die PV (Grüne Partei) verbinden, realisieren: soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz. Brasilien erlebt nach 20 Jahren wieder die ersten freien Gouverneurs– und Parlamentswahlen - die Militärs haben die wichtigsten Schlüsselpositionen im Staat an zivile Politiker abgegeben. Sind die Militärs müde? Nein, die Militärs sind nicht müde. Aber sie halten es momentan für die beste Lösung, wenn konservative Politiker die Politik im Land machen. Die Streitkräfte wollen sich nicht abnutzen, sie bleiben im Hintergrund. Wird es auch in Brasilien, wie schon in Argentinien und jetzt wahrscheinlich auch in Uruguay Gerichtsverfahren gegen Militärs geben, die an Folterungen und Morden an politischen Gefangenen beteiligt waren? Das bezweifle ich. Die Brasilianer haben ein kurzes Gedächtnis. Außerdem haben sich die Generäle von den Zivilpolitikern die Garantie geben lassen, daß es solche Verfahren nicht geben wird. Umweltschutz ist in Brasilien ein noch weitgehend unbekannter Begriff, obwohl sich die ökologische Katastrophe besonders in den Ballungszentren bereits ankündigt. Wo muß eine Umweltpolitik ansetzen? Die Menschen müssen zuerst einmal eine bewußte Beziehung zu ihrer Umwelt entwickeln. Zum Beispiel wollte man in Norwegen das Erdöl nach der Logik des Kapitalismus fördern. Der geschlossene Widerstand der Sozialisten und Kommunisten konnte eine hemmungslose Erdölförderung auf Kosten der Umwelt verhindern. Genau das brauchen wir in Brasilien: Wir müssen ein ökologisches Bewußtsein schaffen, das bis zu den Parteien vordringt, um den rücksichtslosen Kapitalismus zu stoppen. Wir wissen aber auch, daß europäische „Modelle“ nicht so einfach auf brasilianische Verhältnisse zu übertragen sind. Wir leben in einem Land der Dritten Welt. Der Schutz der Umwelt ist für uns sehr wichtig, aber der Kampf für die soziale Gerechtigkeit hat absoluten Vorrang. Wir müssen ein Entwicklungsmodelll finden, das zur gleichen Zeit die Umwelt schützt und die Lebensbedingungen der ärmsten Schicht verbessert. Gibt es Berührungspunkte zwischen der Friedensbewegung hier und in Europa? Wir sind für den Weltfrieden. In Rio kämpfen wir gegen das Atomprogramm der Regierung, gegen die Herstellung der Atombombe, ein Projekt, das zusammen mit den deutschen Militaristen verfolgt wird. Diese Art von Technologietransfer wollen wir nicht. Mit der europäischen Friedensbewegung wollen wir Möglichkeiten eines alternativen Technologietransfers diskutieren. Wir sind für den Frieden und für die Gewaltfreiheit. Aber in den Ländern, wo die herrschende Klasse intolerant und unfähig ist, dem Volk politische Freiheiten zu geben, haben die Völker das Recht, sich mit Waffen zu befreien. Das war in Nicaragua der Fall und passiert jetzt auch in Südafrika. Das Gespräch führte Hans G. Wagner

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