Ein schwarzer Tag für Helmut Kohl

■ Der Kanzler war am Donnerstag ganz unten - im Bergwerk Haltern / Ost konnte strahlen: keine Interviews, keine Versprecher / Für die Journalisten insgesamt eine magere Ausbeute / Arbeitsminister Blüm unter Profilierungszwang

Aus dem Troß Oliver Tolmein

Regierungssprecher Ost konnte strahlen: Nach dem Ergebnis der Hamburg–Wahl schert sich fast niemand mehr um seines Kanzlers Gorbatschow–Charakterisierung. Und am Donnerstag wollte auch keiner der mit Dr. Helmut Kohl ins Bergwerk Haltern mitgereisten Journalisten ein Interview machen. Gefragt waren dafür Fotos: der Kanzler, als weißer Riese mit Helm, Gamaschen und Steigerhäckel zünftig ausgerüstet in den Schacht 1 eingefahren, kam ganz schwarz wieder heraus. Auffällig schwarz, denn die ihn begleitenden Vorstandsmitglieder der Ruhrkohle AG und der Gewerkschaft Bergbau hatten auch nach dem Trip in Minus 1.000 Meter noch eine weitgehend blütenweiße Jacke. Wer hat den Kanzler angeschwärzt - das beschäftigte die Journalisten mehr als die von Kohl wirkungsvoll aufbereitete Botschaft, die Atomenergie sei kein Feind der Steinkohle. Regierungssprecher Ost, dem man die fototrächtige Tat am ehesten zutraute, hatte seine Hände ganz tief in die Taschen gesteckt und sein nichtssagendstes Lächen aufgesetzt - so als wisse er mal wieder von nichts. „Der Bergbau hat in kritischen Zeiten seine Pflicht für unser Vaterland getan, jetzt müssen wir in kritischer Zeit für den Bergbau unsere Solidarität mit ihm beweisen“. Ein glänzender Rhetoriker ist Kohl nicht einmal dann, wenn er, wie am Donnerstag, beste Laune hatte. Selbst die allgemeinen Sprüche über Kameradschaft, Solidarität und Leistung, die in der kurzen Rede vor dem Mittagessen wie Sprechblasen aus seinem Munde quollen, mußte er ablesen. Sichtlich mehr lag es ihm, den Fotografen ein Schnippchen zu schlagen: Statt nach der Grubenfahrt direkt ans Rednerpult zu gehen, suchte er die Küchenfrauen, die gerade das kalte Buffet vorbereiteten, heim. Da konnte er auch Punkte sammeln. Das sind die Mo mente, in denen Stimmenimitator Stefan Wald keine Freude an seinem Vorbild haben kann: Peinlichkeiten blieben aus. Die Journalisten, die sich wie sonst die Fotografen ganz dicht um Kohl scharten, damit ihnen nur ja keines der sprichwörtlichen Kanzlerworte entginge, verzeichneten eine magere Ausbeute. Für seine Leutseligkeiten brauchte Kohl keinen Stichwortzettel. Wenn er sie anbrachte, unterlief ihm auch - anders als bei den politischen Themen - so schnell kein Faux– pas. Die Frage „Was machen Sie denn sonst?“ an die Platten–garnierenden Frauen ging ihm leicht über die Lippen, auf denen er erst wieder verlegen herumkaute, als er zwei Stunden später in Dortmund im Haus der Handwerksförderung, den Blick auf den Boden gerichtet, ein Grußwort über sich ergehen lassen mußte und nicht wußte, wohin mit den Händen und auf welchem Bein angenehmer stehen. Dann wirkten er und Norbert Blüm, der die Reise nach Haltern und zur Handwerkskammer mitmachte, nebeneinanderstehend wie Asterix und Obelix: Blüm, die Hände in den Taschen, den Blick nach vorn, so als suche er das Weiße im Auge eines imaginären Gegners. Im Bad der Menge, eingezwängt zwischen Presse und Volk, waren das nun wie in Haltern Bergleute oder wie in Dortmund Auszubildende, brauchte Kohl den Vergleich mit Blüm aber nicht zu scheuen: Er konnte zwar nicht originell, immerhin aber schlagfertig werden und auf die Bitte eines Fotografen, sich mit einer jungen Frau und Blüm in Positur zu stellen, antworten: „Das sieht wirklich besser aus als mit Blüm allein.“ Daß er nicht nur die Richtlinien der Politik, sondern auch der Öffentlichkeitsarbeit bestimmt, machte er seinem Kabinettskollegen unmißverständlich klar, als der sich, gelernter Werkzeugmacher, der er ist, an einer Werkzeugbank mit einer Feile vor den Fotografen profilieren wollte. Kohl ging einfach weiter - und der Troß folgte selbstverständlich ihm. Nur einmal hatte Blüm die Chance, Aufmerksamkeit wirklich auf sich zu lenken: Als der Kanzler in der Dortmunder Handwerkskammer unversehens in die Toilette abbog. Der Kanzler pinkelte, aber die Karawane zog weiter. Für zwei Minuten hatte Blüm die Presse für sich allein. Dem Kanzler blieben nur die drei dezent die Tür bewachenden Bodyguards von der Sicherungsgruppe Bonn.