Wiedergutmachung ein Debakel für Süssmuth

■ NS–Opferentschädigung weiter verschleppt / SPD, FDP und Grüne über Bericht der Bundesregierung empört / Versprechungen nicht eingehalten

Von Klaus Hartung

Berlin (taz) - Ein moralisches Debakel erlitt am Donnerstag abend die Ministerin Süssmuth. Sie mußte einen Bericht zur Wiedergutmachung ihres Hauses vertreten, in dem unter anderem stand, daß die Zwillingsversuche von Mengele in Auschwitz „keine pseudo–medizinischen Versuche“ gewesen seien. Es habe sich in der Regel nur um „Messungen körperlicher Merkmale und Entnahme von Körperflüssigkeit“ gehandelt. Damit verneinte der Bericht einen allgemeinen Anspruch der sogenannten „Mengele–Zwillinge“ auf Entschädigung wegen Gesundheitsschäden durch das KZ. Peinlich für die Ministerin: Im Sommer hatte sie in Israel Vertreterinnen dieser Opfer Hilfe versprochen. Frau Süssmuth redete sich heraus, nannte jene Formulierung „mißverständlich“. In der Debatte kritisierten Burkhard Hirsch (FDP), Renate Schmidt (SPD) und Christian Ströbele (Grüne) den Bericht. Ströbele verwies auf den Widerspruch zwischen der Kanzler– Rede in Bergen–Belsen 1985 und dem Bericht und sagte: „Wir sind dabei, der Nazi–Schuld eine weiter Schuld hinzuzufügen.“ Frau Hamm–Brücher sprach von einer „unerträglichen Wortwahl“ und verlangte vor allem „schärfste Verurteilung“ der zitierten Passagen. Selbstkritisch bekannten Renate Schmidt und Christian Ströbele, daß der Berichtsauftrag an die Bundesregierung ein Fehler gewesen sei. „Jetzt sind die Chancen, in dieser Legislaturperiode noch was (für die Entschädigung der NS–Opfer) zu erreichen, nahe Null.“ Der Bundestag verteilte die Beratung über den Bericht und über die verschiedenen Anträge auf Entschädigung von SPD und den Grünen auf verschiedene Ausschüsse, so daß eine abschließende Behandlung bis zum 25.1.87 kaum noch möglich sein wird. Tagesthema Seite 3 Kommentar Seite 6