Kohl bekräftigt Kritik an DDR

■ Kohls Äußerungen gegenüber der DDR riefen heftige Reaktionen in Ost–Berlin hervor / Unmutsbekundungen sind eher als Mahnungen statt als Störung zu bezeichnen / Kohl beharrt dennoch auf seiner Kritik

Berlin (taz/dpa) - Bundeskanzler Kohl hat ungeachtet der scharfen Proteste aus Ost–Berlin seine Kritik an der DDR wiederholt. Bei einer Wahlveranstaltung sagte Kohl am Samstag in Düsseldorf, Gespräche mit der DDR seien zwar notwendig, doch wisse er „zu jeder Stunde“, mit wem er spreche. Sein Ziel könne es nicht sein anzuerkennen, „daß ein kommunistisches System im anderen Teil Deutschlands etwa die Menschenrechte mit Füßen tritt“. Weiter erklärte Kohl: „Wir denken nicht daran, die Staatsbürgerschaft der DDR anzuerkennen.“ und damit „unsere Landsleute“ auszugrenzen. „Das sind Deutsche mitten in Deutschland“. Auch wenn die DDR den zuletzt zitierten Satz durchaus unterschreiben könnte und in Kohls Polemik gegen die DDR eigentlich nur altbekannte CDU–Regierungspositionen einflossen, provozierten sie heftige, keineswegs routinierte Reaktionen in Ost–Berlin. Diese Reaktionen sind das eigentlich bemerkenswerte an der Kontroverse, ein Versuch, sich auch mit den von vielen DDR–Bürgern geteilten Kritikpunkten Kohls an der DDR auseinanderzusetzen. In einem am Freitag als Korrespondenz bezeichneten Leitartikel des Zentralorgans der SED Neues Deutschland (ND) waren Kohls Äußerungen ausführlich zitiert und im einzelnen kritisiert worden. So bezeichnete der Leitartikel den Vorwurf Kohls, die DDR sei „aus der Substanz eines Menschen heraus gesehen ein menschenfeindliches System“, zwar als „dreiste Diffamierung“, malte jedoch quasi zur Überbrückung der Legitimationsschwäche gegenüber der eigenen Bevölkerung ein düsteres Bild der Bundesrepublik. Schließlich gebe es „menschenfeindliche Tatsachen“ in der Bundesrepublik, wie Arbeitslosigkeit und Neue Armut. Obwohl die Reaktionen in den DDR–Medien auf Kohl heftig waren, sind die Unmutsäußerungen über Kohl eher Mahnungen an gemeinsame Interessen als wirkliche Störungen der deutsch–deutschen Beziehungen. So heißt es im ND–Leitartikel „Die Menschen im Westen wie im Osten wissen, was ihrem gemeinsamen Haus Europa dienlich ist. Es brauche keine zusätzlichen politischen Belastungen durch die beiden deutschen Staaten, sondern gemeinsame Bemühungen, um Spannungen aus der Welt zu schaffen“. mtm