„Zivilisten am Tag, Rebellen in der Nacht

■ Wie Vertreter des philippinischen Militärs die Folterung und Tötung von Verdächtigen begründen / „Gerechter“ und „ungerechter“ Krieg / und Menschenrechtsorganisationen beklagen steigende Zahl der Übergriffe auf Zivilisten / Der Krieg hat das Umland erreicht

Manila (wps) - Während die meisten Bewohner Manilas sich nach den jüngsten Morden Gedanken darüber machen, ob der Bürgerkrieg bald die Hauptstadt erreicht, ist er für vier Männer aus der Bulacan–Provinz - etwa eine Autostunde vom Zentrum entfernt - bereits vorbei. Sie wurden in der vergangenen Woche von Soldaten der Regierung gefoltert und getötet, zwei Tage, nachdem Präsidentin Aquino dem Militär freie Hand bei der Guerillabekämpfung eingeräumt hatte. Seit ihren markigen Worten werden in den strategisch wichtigen Regionen verstärkt Offensiven durchgeführt, eine davon in Bulacan. Die Konsequenzen sind im St. Mathews Beerdigungsinstitut in der quirligen Provinzhauptstadt zu besichtigen, wo die Leichen der jüngsten Opfer aufgebahrt sind. Die Offiziere, die die Tötung der vier Männer anordneten, kannten nicht einmal deren Namen. Der Militärkommandant, Leandro Mendoza erklärt, sie seien auf der Flucht erschossen worden. Sie hätten zu einer Gruppe von 40 bewaffneten Kämpfern der linken „New Peoples Army“ gehört, die am 9. November in der nahegelegenen Stadt Calumpit eine Polizeistation angegriffen und einen Wächter getötet hätten. Was Colonel Mendoza nicht erklärt, ist, warum die Kehle eines der Männer aufgeschlitzt wurde, warum ein anderer eine zerschmetterte Schulter hat, warum dem dritten die Zähne ausgeschlagen und dem vierten der Schädel gebrochen wurde. Der Aufklärung wird sich jetzt die von Präsidentin Aquino eingesetzte Menschenrechtskommission widmen, der ein Fülle ähnlicher Berichte zuging. Es scheint, daß die Streitkräfte den neuen Spielraum von offizieller Seite zu einer breitgestreuten Terrorkampagne gegen all jene benutzen, die irgendwie als Mitglieder oder Sympatisanten der NPA verdächtigt werden: Südlich von Manila soll ein Bauernaktivist vom Militär umgebracht worden sein, aus verschiedenen Gebieten der Südinsel Mindanao werden Zwangsumsiedlungen und die Bombardierung von Dörfern gemeldet, mehr als 60 Tote wurden gezählt. Nach Angaben einer katholischen Menschenrechtsgruppe wurden seit dem Machtwechsel nachweislich 238 Philippinos vom Militär gefoltert, die Gefangenenhilfsorganisation „Task Force Detainees“ spricht von dramatisch ansteigenden Zahlen, die“ direkt mit Minister Enriles Counterinsurgency– Programm in Verbindung“ stünden. Regierung und Militär dementieren diese Anschuldigungen auf ganzer Linie. Generalstabschef Fidel Ramos klagt statt dessen die Guerilla der „Militarisierung“ an und erklärt, die „Kommunisten hätten die demokratische Atmosphäre ausgenutzt, um eine Propagandakampagne gegen das Militär zu starten“.Seine Beweise: noch 1982 habe die NPA nur 2.400 Gewehre besessen, heute dagegen 12 000. Zwar sei die Zahl der Kriegstoten von 14 auf neun pro Tag gesunken, aber es gerieten mehr Zivilisten ins Kreuzfeuer, 17 Stadthallen und sieben Polizeistationen seien seit dem Machtantritt Aquinos überfallen worden. „Also“, schließt der General, der im Vietnamkrieg auf Seiten der Amerikaner als Experte für psychologische Kriegsführung eingesetzt wurde, „müsse es den Rebellen bei ihren Friedensverhandlungen wohl an Ernsthaftigkeit fehlen“. Der gerechte Krieg Welche der beiden Seiten auch recht haben mag, es spricht vieles dafür, daß Aquinos vielbeschworener „Weg des Friedens“ für viele im Jenseits endet und daß die Bedeutung der psychologischen Kriegsführung dabei zunimmt. Brigadegeneral Eugenio Ocampo, Oberbefehslhaber der Streitkräfte für die Region nördlich von Manila, gibt dies auch zu. Er erklärt den neuen Krieg in der ehedem als ruhig geltenden Provinz Bulacan wie folgt:“ Die Rebellen greifen hier an, weil die den Leuten zeigen wollen, daß sie bis nach Manila vorstoßen können, wann immer sie wollen. und wir werden den Leuten zeigen, daß sie genau das nicht können. Wir verfolgen das Konzept des gerechten Krieges: erst wenn alle friedlichen Mittel ausgereizt sind, fängt man mit dem Kämpfen an“. Doch bei der Ofensive in Bulacan, die auf Weisung von Generalstabschef Ramos geschah, hat man es damit offenbar nicht so genau genommen. Das eigentliche Ziel des Guerilla–Angriffs dort war nicht die Stadthalle - ein ziviles Ziel, das unbeschädigt blieb–, sondern die nahegelegene Polizeistation. Verschiedene linke Kenner der Szene weisen darüberhinaus darauf hin, daß der Angriff anders als normale NPA–Attacken ablief. Anstatt erst einen Spähtrupp vorzuschicken, nahmen die Angreifer die Station sofort unter Beschuß,– eine Vergeudung der knapen Munition. Dann flohen sie sofort, ohne wie üblich, eine Begründung zu hinterlassen.Nach Angaben des Militärs wurden die vier Toten „in einem 30–minütigen Gefecht erschossen“. Doch keine der Leichen weist Schußwunden auf, alle dagegen Foltermerkmale. Ob es nicht doch Zivilisten gewesen sein könnten? Colonel Mendoza:“Ehrlich gesagt, es kümmert mich nicht. Zivilisten am Tag, Rebellen in der Nacht. Hier herscht Krieg und wir müssen verhindern, daß er auf Manila übergreift. Schließlich hat General Ramos uns gegenüber betont, daß jetzt kein Waffenstillstand herrscht“. Mark Fineman / Washington Post Service