EX–Spion bringt britische Diplomatie auf Trab

■ Regierung Thatcher versucht in Australien, unliebsame Veröffentlichungen über den Geheimdienst zu verhindern / Rhetorische Windungen vom Unterhändler der Krone / Prozeß in Sidney, Fragestunde im Londoner Unterhaus

Aus London Rolf Paasch

Der Versuch der brischen Regierung, vor einem australischen Obergericht die Publikation eines Buches über den britischen Geheimdienst zu verhindern, weitet sich immer mehr zu einer für die Briten peinlichen Affäre aus. Am Montag hatte der in Sidney als Zeuge der Anklage auftretende Kabinettssekretär, Sir Robert Armstrong, dem Richter eine frühere Falschaussage als „ökonomischen Gebrauch von Wahrheit“ verkauft; eine in der britischen Öffentlichkeit heftig diskutierte Sprachschöpfung. Am Dienstag weigerte sich dann Margret Thatcher im „House of Commons“, zu dem „schwebenden Verfahren“ in Neu–Süd– Wales Stellung zu nehmen. Der Parlamentssprecher mußte sie daran erinnern, daß Australien mittlerweile ein unabhängiger Staat sei, ihr diese rechtliche Ausflucht mithin nicht mehr zur Verfügung stehe. Der Eisernen Lady blieb nichts Übrig, als die „nationale Sicherheit“ zu bemühen, um sich den drängenden Fragen der Opposition wie der eigenen Hinterbänkler zu entziehen. So blieb es denn den aufgebrachten Parlamentariern weiter verwehrt herau Geheimdienstes „MI 5“, Sir Roger Hollis, sei in den 60er Jahren ein Sowjetspion gewesen, mit neuen Beweisen unterlegen. Ferner beschuldigte er seinen ehemaligen Auftraggeber, befreundete Botschaften - darunter auch die bundesdeutsche - abgehört, sowie gegen den damaligen Labour– Premier Harold Wilson intrigiert zu haben. Obwohl diese Anschuldigungen längst den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hatten, versuchten Maggies Zensurapostel den Buch–Druck zu unterdrücken. Sir Robert, der höchste Staatsdiener der Krone, sollte das britische Zensurgesuch aufrechterhalten. Doch weder dem australischen Verleger noch dem Richter war entgangen, daß die Regierung Thatcher in der Vergangenheit nicht alle Veröffentlichungen über die Innereien der Regierung und des Geheimdienstes gerichtlich verfolgen ließ. Zwar wurde 1983 eine kleine Beamtin ins Gefängnis geworfen, weil sie ausplauderte, wie die Stationierung der Marschflugkörper dem Volk nahegebracht werden sollte; doch war 1981 ein Buch über den angeblichen Sowjetspion an der Spitze des MI 5 unbehelligt erschienen.Kein Wunder also, daß Richter Powell von der britischen Regierung Dokumente forderte, die nach Ansicht des Verlegers beweisen, daß der MI 5 in der Vergangenheit sogar tatkräftig an der Publikation von Büchern über sich selbst mitgeholfen hat. Da aber in diesen bisher noch geheimen Materialien weitere für die Regierung peinliche Fakten versteckt sein könnten, rief Sir Robert nun erst einmal ein Berufungsgericht an, das am Mittwoch darüber entscheiden muß, ob die Veröffentlichung dieser Geheimdokumente für den Fortlauf des anderen Prozesses erforderlich ist oder nicht.