Die Militarisierung und Zentralisierung Südafrikas

Südafrika ist im Kriegszustand. Die südafrikanischen Soldaten kämpfen im besetzten Namibia gegen die dortige Unabhängigkeitsbewegung SWAPO, in Angola gegen die MPLA–Regierungstruppen und bei gelegentlichen Überfällen auf die anderen Frontstaaten gegen angebliche ANC–Ausbildungslager, um sich - wie die offizielle Begründung lautet - der allgegenwärtigen Bedrohung durch den Kommunismus zu erwehren. Dazu kommen immer häufigere Einsätze zur „Aufstandsbekämpfung“ im Innern. Tatsächlich können mehr als 500.000 Soldaten - ein Neuntel der etwa 4,5 Millionen Weißen in Südafrika - in kürzester Zeit mobilisiert werden, um das Apartheidregime und die politisch– wirtschaftliche Vorherrschaft im südlichen Afrika zu verteidigen. 1,2 Millionen weiße Südafrikaner sind im Besitz eines Waffenscheines - das sind in etwa alle weißen südafrikanischen Männer zwischen 18 und 60. Der Aufbau paramilitärischer Verbände und eine sich vor allem auf Schulen konzentrierende Propagandakampagne flankieren die Militarisierung der südafrikanischen Gesellschaft und Wirtschaft der letzten Jahre. Diese totale Mobilisierung ist Teil der „Totalen Strategie“, die seit der Wahl des ehemaligen Kriegsminister P.W. Botha zum Premierminister des Apartheidstaates 1978 die Regierungspoli tik bestimmt. Hatte sich Bothas Vorgänger Voster noch zur Aufrechterhaltung der weißen Privilegien nach innen mehr auf die Polizei und nach außen auf die Kraft der Diplomatie gestützt, so nahm mit Bothas Machtübernahme die Militarisierung der südafrikanischen Gesellschaft eine neue Dimension an. Bothas „Totale Strategie“ war die Antwort der Buren auf zunehmende ANC–Guerillaaktivitäten, neue schwarze Re gierungen im südlichen Afrika (zuletzt in Zimbabwe 1980) und anwachsenden internationalen Druck. Militärdiktatur a la Südafrika Dreh– und Angelpunkt von Bothas „Totaler Strategie“ war die vollkommene Unterordnung aller gesellschaftlichen Bereiche unter das Gebot der Verteidigung der weißen Vorherrschaft. Dieses ehrgeizige Ziel setzte nicht nur die Koordination der Arbeit aller Regierungsstellen und den Ausbau der Streitkräfte und der Polizei voraus. Die Ausrichtung der Wirtschaft nach militärisch–strategischen Gesichtspunkten spielte dabei eine ebenso wichtige Rolle wie der Ausbau der staatlichen Rüstungskonzerne. Um all dies durchsetzen zu können, wurde 1984 eine neue Verfassung geschaffen, deren wichtigster Punkt nach außen hin die Einführung des Drei–Kammer–Parlaments mit begrenztem Mitspracherecht für die Inder und die Mischlinge Südafrikas war. Im Grunde diente die Neuerung jedoch dazu, den stattfindenden Prozeß der Zentralisierung der Entscheidungsmacht außerhalb des Parlaments und des Kabinetts zu verschleiern. Schon seit 1977 war der 1972 gegründete Staatssicherheitsrat (SSC) damit betraut worden, die Arbeit der verschiedenen Ministerien besser zu koordinieren. Unter Botha entwickelte sich das „Super–Kabi nett“ von einem Beratungsgremium zu einer die Kabinettssitzungen vorstrukturierenden Entscheidungsinstanz. An den Sitzungen nehmen neben Botha und den Verteidigungs–, Innen–, Außen– und Wirtschaftsministern nur die Chefs von Polizei, Militär und Geheimdienst und einige wenige auserwählte Größen der Wirtschaft teil. Parallel zu der schleichenden Aufwertung des Gremiums verlief der Entmachtungsprozeß des Parlaments. Von der weißen, liberalen Opposition wurde diese Aushöhlung des Prinzips der „Demokratie für die Weißen“ zu spät wahrgenommen. Ihr Protest blieb wirkungslos. Die neue Verfassung übertrug dem Staatspräsidenten so weitreichende Vollmachten wie das Recht, das Parlament aufzulösen. Staat im Staat Parallel zur offiziellen Struktur des Staatsapparates haben die Sicherheitskräfte ein eigenes System aufgebaut, das auf jeder Ebene Eingriffs– und Kontrollmöglichkeiten besitzt. Ein weitreichendes Netzwerk von über 500 Komitees und Verbindungsleuten garantiert den Befehlsfluß bis hin zur untersten Polizei– oder Militärstation. Ergänzt wird diese inoffizielle Befehlshierarchie des SSC von einem gut organisierten Spitzelsystem des Geheimdienstes. Zum Einsatz kommen diese Komitees beispielsweise im Kampf gegen die landesweite Mietboykottkampagne oder bei der Unterstützung von kollaborierenden schwarzen Führern. Auf höherer Ebene organisiert dieser Staat im Staat die optimale Ausnutzung der wirtschaftlichen Resourcen und der zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte zur Abwehr der „multidimensionalen Bedrohung“. Die Zentralisierung der Entscheidungsinstanzen ging einher mit der gleichzeitigen Aufrüstung der Armee und der Polizei. 1977 wurde der Kriegsdienst von einem auf zwei Jahre verlängert. Seit 1982 sind die Reservisten darüberhinaus dazu verpflichtet, über zwölf Jahre verteilt zwei weitere Jahre an Übungen teilzunehmen, während derer sie auch bei Kämpfen gegen Schwarze in den Townships eingesetzt werden. Des weiteren wurden die „Kommandos“ reaktiviert, burische Bürgerwehreinheiten, die sich noch heute ihres Wagemuts im Buschkrieg gegen die Engländer rühmen. Diese beiden Reservisteneinheiten ermöglichen den hohen Mobilisierungsgrad der südafrikanischen Armee. 43.000 Berufssoldaten werden von 67.000 Rekruten und mehr als 400.000 Reservisten unterstützt (Quelle: State of War, COSAWR, London). Etwa ein Drittel der Dienstpflichtigen in den südafrikanischen Streitkräften sind, so der niederländische Abgeordnete im Europaparlament Alman Metten, Bürger von EG–Ländern. Von den etwa 4,5 Millionen weißen Südafrikanern besitzen mehr als eine halbe Million den britischen Paß, 600.000 den portugiesischen, 100.000 den deutschen, 50.000 den italienischen, 40.000 den niederländischen, 25.000 den belgischen und 8.000 den französischen. In Südafrika wird seit 1984 jeder Ausländer, der eine Aufenthaltsgenehmigung besitzt und im wehrfähigen Alter ist, automatisch zum südafrikanischen Staatsbürger erklärt und damit zum Kriegsdienst eingezogen. Trotz der überwältigenden militärischen Stärke und der quasi– diktatorischen Regierungsvollmachten ist es Botha bislang nicht möglich gewesen, einen von der Industrie seit langem geforderten pro–kapitalistischen Reformkurs durchzusetzen. Die durch den Ausnahmezustand und die ständige Repression in den Untergrund gedrängte Opposition kann Bothas Zögern nicht erklären, die vom in Südafrika engagierten Kapital angestrebte Reformdiktatur durchzusetzen. Offensichtlich ist der südafrikanische Machtapparat kein monolithischer Block. Die Verbrüderung von Rechtsradikalen mit der Polizei und die Unterwanderung der „Kommandos“ durch Mitglieder der ultra–rechten „Afrikanischen Widerstandsbewegung“ bedrohen Bothas Machtbasis, die Buren. Michael Fischer Quelle: South Africa at War, Richard Leonard, USA