„Frauentor“ und „Fließblockade“ in Hasselbach

■ Alle vier Tore wurden am Cruise–Missile–Bauplatz von ungefähr einhundert Demonstranten blockiert / Überraschte und vom Polizeipsychologen zur Freundlichkeit angehaltene Polizei trug Blockierer von den Toren fort

Aus Hasselbach Felix Kurz

Donnerstag, 4.30 Uhr, stockdunkel, strömender Regen. Denkbar ungünstige Voraussetzungen für eine Blockadeaktion. Und dennoch finden sich über 100 Demonstranten um diese unzivile Zeit zum zivilen Ungehorsam vor den vier Toren des Stationierungsgeländes in Hasselbach (Hunsrück) ein, um diese zu blockieren. Knapp sechs Wochen sind seit der Großdemonstration mit über 180.000 Menschen im Hunsrück vergangen. Die Mitglieder der Friedensbewegung treffen nur auf sehr wenige und vor allem überraschte Polizisten. Die Einsatzkräfte rechneten nämlich mit den Blockadeaktionen erst ab 6 Uhr. So stehen die Beamten plötzlich vor den versperrten Toren der ca. 120 Hektar großen Militäranlage. Zu allem Ungemach haben sie auch nur den Schlüssel für das Tor 1 dabei. Für die drei anderen Tore haben sie diese vergessen. Am Tor eins entwickeln sich dann auch die ersten Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Einsatzkräften. Polizisten tragen die Demonstranten andauernd vom Tor weg, die kommen jedoch immer wieder zurück. Erst gegen sieben Uhr sammeln sich starke Polizeikräfte vor Ort und räumen zum ersten mal das Tor vier. Im Blockierer–Jargon heißt es das „Frauentor“, weil es von einer Gruppe Frauen blockiert wird. Männer sind hier von der Blockade ausdrücklich ausgeschlossen. Das mag auch der Grund sein, daß bei der zweiten und dritten Räumung kurzfristig der Weg für die wartenden Fahrzeuge frei wird. Zwar stehen genügend (männliche) Demonstranten an der Seite, doch der Beschluß ist klar. Männer sollen für die abgeräumten Frauen nicht einspringen. Nach der dritten Räumung gibt es dann doch einige Demonstranten, die kein Einsehen mehr mit diesem „unsinnigen und uneffektiven Beschluß“ haben. Spontan setzen sich plötzlich der Sprecher der rheinland–pfälzischen Grünen, Roland Vogt, und auch ein paar Pax–Christi–Mitglieder zwischen die anrückenden Baufahrzeuge. Aber auch ihnen geht es nicht anders als den Frauen vorher. Nach dreimaliger Aufforderung und eindringlichen Ermahnungen werden sie weggetragen, fotografiert, die Personalien festgestellt und ihnen eine Strafanzeige wegen Nötigung in Aussicht gestellt. Sollten sie ein zweites Mal abgegriffen werden, so ein Polizeisprecher, werde man sie bis zum Abend sistieren. Die Taktik der Polizeikräfte läßt sich an diesem Tage schnell ausmachen. Zum Frauentor wird der gesamte Fahrzeugverkehr auf das und aus dem Cruise–Missiles– Depot umgeleitet und dort wird eben bei entsprechend langem Fahrzeugstau immer wieder mal geräumt. Alle anderen Zufahrten läßt man „gewaltfrei im Hunsrück“ (so lautete der Slogan der Polizei schon bei der Großdemonstration vor einigen Wochen) blockieren. Scheinbar freundlich geht es dabei zwischen den Beamten und den Demonstranten zu. Doch am Ende, so meint ein Demonstrant, setzt es doch eine Strafanzeige. So wirkt auch der anwesende Polizeipsychologe Frank Stein unbeholfen und eher überfordert. Natürlich lassen sich die Blockierer nicht wegpsychologisieren oder wegreden. „Wenn ich nein sage, meine ich nein“, sagt eine Frau immer wieder, als man sie auffordert, freiwillig von der Straße zu gehen. „Lassen Sie es doch nicht auf eine Nötigung ankommen“, beschwört ein Polizist die Demontrantinnen. „Der heutige Frieden ist schon schlimm genug“, so ein Transparent. Die frühere hessische Landtagsabgeordnete Gertrud Schilling gehört zu den ersten, die zum zweiten Mal eingesammelt werden. Sie bedauert vor allem auch, daß ihre grünen Ex–Kollegen und auch die heutige Landtagscrew sich bei solchen Aktionen nicht blicken läßt. Aus Bonn hat sich dagegen Lucas Beckmann, einer der drei Grünen Sprecher der Bundespartei in Hasselbach eingefunden. Und auch der SPD–Bundestagsabgeordnete Gert Weiskirchen beteiligt sich am frühen Morgen zeitweise an der Aktion. Der rheinland–pfälzische SPD–Chef, Rudolf Scharping, hält dagegen „nichts von der Form der Blockade“. Offenbar im Hamburg–Koma und im Trend seiner Partei liegend, schielt er nur noch auf den Wähler. Der „überwiegende Teil der Bevölkerung“, so Scharping, würde Blockaden „nicht akzeptieren“. Er fürchtet um die „Erfolge der Großdemonstration in Hasselbach“. Andreas Zumach von der Aktion Sühnezeichen sieht das anders. Der Erfolg der Demonstration der Friedensbewegung im Hunsrück sei ein „Auftrag, die Aktionen gegen die Stationierung fortzuführen“. Dazu gehöre auch die aktuelle Blockade in Hasselbach, auf die im Frühjahr die in dem NATO–Stützpunkt Hahn zwischengelagerten Cruise Missiles umziehen sollen.