Demokratie vertagt

■ Zum 250–Millionen–Kredit der Weltbank an Chile

Daß nach Marcos und Baby Doc auch Pinochet fällig war, schien vor wenigen Monaten noch ausgemachte Sache. Daß der alte General das nächste Opfer der Reagan–Doktrin werden würde, auf der die kontrollierte Machtablösung zwecks Rettung profaner Interessen als demokratisches Engagement verkauft wird, wurde in Washington als offenes Geheimnis gehandelt. Im dreizehnten Jahr der chilenischen Diktatur verurteilte die US–Regierung zum erstenmal deren Menschenrechtsverletzungen. Öffentlich kündigte sie an, den umstrittenen Kredit der Weltbank sperren zu lassen, falls sich die Menschenrechtslage in Chile nicht bessere. Nun, sie hat sich nicht gebessert. Die Weltbank–Gelder fließen trotzdem. Das Säbelrasseln der US–Diplomatie war offenbar mit den Hoffnungen der chilenischen Opposition gut orchestriert. Diese hatte das Jahr 1986 zum entscheidenden proklamiert. Bis zum Sommer mußten die USA tatsächlich den Sturz der Diktatur ernsthaft in Erwägung ziehen. Erst mit dem fehlgeschlagenen Attentat auf seine Person hat der Diktator die politische Initiative zurückgewonnen, auch wenn dies seinen Preis erfordert hat: Die Militärs haben Pinochet deutlich gemacht, ihn nicht über 1989 zu stützen. Die gespaltene Opposition weiß, daß sie ohne militärische Hilfe Pinochet nicht stürzen wird. Und so richtet auch sie sich auf 1989 ein. Solange aber die chilenischen Militärs und Politiker eine Wachablösung selber vertagen, besteht für die US–Regierung kein Grund, die Diktatur über eine Kreditsperre in Bedrängnis zu bringen. Fürs erste ist wieder Ruhe im Land angesagt. Thomas Schmid