Babrak Karmal tritt endgültig ab

■ Der afghanische Parteichef gab „auf eigenen Wunsch“ seine letzten Ämter auf / Lage in Kabul ruhig / Er war seit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen 1979 im Amt / Nachfolger Najib operierte erfolgreich gegen Mudjaheddin / Sowjetische Patrouillen verstärkt

Berlin (taz) - Weit zieht Babrak Karmal die Augenbrauen hoch, bewegt die großen, schwarzen Augen häufig und schnell und zeigt damit Leben hinter dem sonst kranken, aufgedunsenen Gesicht. Müde, doch nicht resigniert, gab der ehemalige afghanische KP– Chef seinen Rückzug aus allen Staats– und Parteiämtern bekannt. Mit dem Hinweis auf seine Krankheit sei Karmal „auf eigenen Wunsch“ aus seinen Ämtern geschieden, und der Revolutionsrat habe „den Rücktritt einstimmig angenommen“, hieß es in Kabul. Sein endgültiger politischer Abschied war Anfang Mai eingeleitet worden, als ihn der ehemalige Geheimdienstchef Nadschib in der Funktion des Parteichefs ablöste. Anders als im Mai war nach Angaben westlicher Diplomaten in Islamabad die Lage in Kabul gestern ruhig. Die sowjetischen Streitkräfte hatten am Donnerstag ihre Patrouillen in der Hauptstadt auffällig verstärkt. Karmal war 1979 durch die mi litärische Intervention der UdSSR an die Macht gekommen. Doch es gelang ihm danach nicht, das Land unter Kontrolle zu bekommen und aus der internationalen Isolation herauszuführen. Im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern Taraki und Amin wurde Karmal bei seiner Ablösung aber nicht ermordet, er durfte sogar noch in der amtlichen Zeitung ganzseitige Artikel veröffentlichen. Die langsame Entmachtung ist auf die Flügelkämpfe in der Demokratischen Volkspartei zurückzuführen, wo Karmal den moderateren „Parcham“–Flügel anführte. Seine beiden Vorgänger gehörten dem radikalen „Chalq“– Flügel an, die 1978 in Partei und Staat die Führung übernahmen. Karmal wurde damals unter Tariki zwar stellvertretender Parteichef, aber bald wie viele „Parcham“– Vertreter aus wichtigen Partei– und Regierungsämtern vertrieben und landete als Botschafter Afghanistans in Prag. Als im Herbst 1979 Taraki selbst einer Palastrevolte zum Opfer fiel, kehrte Karmal entgegen einer Anweisung seiner Regierung nicht nach Kabul zurück, sondern reiste nach Moskau, was ihm wahrscheinlich das Leben rettete. Im Dezember 1979 kehrte er mit den sowjetischen Truppen zurück, wobei Amin umkam. Die Politik von Karmals Nachfolger Najib gegenüber den Mudjaheddin trägt erste Früchte. Mit der Zusicherung, der Islam bleibe als Religion akzeptiert, und Förderungen für die Dörfer, holt er die Widerstandskämpfer aus den Bergen. Gleichzeitig eroberten Sowjets und Regierungstruppen wieder wichtige Stellungen in der Gegend von Kama Dhaka an der Grenze zu Pakistan. Florian Bohnsack