I N T E R V I E W „Es fehlt an Kampfeswillen“

■ Der Berliner SPD–Fraktions– und Landesvorsitzende Walter Momper setzt auf „Kampagnenfähigkeit“ / Berührungsängste zur AL hat er nicht

taz: Herr Momper, Sie hatten Ihre Kandidatur ultimativ von der Annahme eines finanzpolitischen Sanierungskonzeptes abhängig gemacht. Sie wollten ein Signal, daß mit den „libanesischen Verhältnissen“ in der Berliner SPD Schluß gemacht wird. Bedarf es dazu nach wie vor der Peitsche? Momper: Das mit der Peitsche lehne ich ab. Es war ein Lernprozeß. In meiner Wahl sehe ich ein Aufeinanderzugehen der verschiedenen Kräfte. Offenheit schafft nicht immer Freude, aber über den Verstand führt es letzten Endes zur Einsicht. Nun gehört zu den Fakten nicht nur eine defizitäre Parteikasse, sondern auch das Bild einer sich abstrampelnden SPD, die noch immer nicht so recht auf den Beinen steht. Wir haben enorme organisatorische und finanzielle Probleme. Die müssen gelöst werden. In unseren Zielen und Inhalten sind wir aber weiter, als manche es wahrhaben. Es mangelt an der öffentlichen Umsetzung. Das Rausgehen, das Machen, der Kampfeswille, daran fehlt es. Sie wollen „Kampagnenfähigkeit“, „Zuspitzung“, schließt das einen Gegen–Geißler mit ein? Mit dem will ich nix zu tun haben, ich bin kein Demagoge und will es auch nicht sein. Wir müssen mit der Zuspitzung unsere Inhalte rüberbringen: Erhaltung der Mietpreisbindung, Arbeit und Umwelt, dazu gehören die Gleichstellung von Mann und Frau. Wir sind fähig, bestimmte Perspektiven, wie Frauen sie sehen, in unsere Politik einzubeziehen. Das geht über die formale Gleichheit hinaus. Liegt die Misere der SPD–Politik nur im mangelhaften Verkauf? Die SPD unterliegt starken Stimmungsschwankungen. Wir haben die Neue–Heimat–Frage. Selbst unter veränderten sozialen Bedingungen bekommen unsere Ziele noch eine höhere Aktualität. Die Demokratisierung der Wirtschaft, Forderungen aus der französischen Revolution, sind nach wie vor aktuell. Damit, was wir aus der Friedensbewegung aufgreifen, bis zur Frage einer strikt defensiven Verteidigung liegen wir doch ganz gut. Gehören Sie zu den Enkeln Willy Brandts, so daß es 1989 eine Art Berliner Modell zwischen SPD und AL geben kann? Nun, Hans–J. Vogel bezeichnet mich als seinen Enkel im Fraktionsvorsitz. Wir haben mit uns selbst noch genug zu tun. Was die AL angeht, habe ich Berechenbarkeit gefordert, ein Bekenntnis zur Gewaltlosigkeit und zum Status der Stadt. Das wird ja auch bei realistischeren Kräften in der AL diskutiert. Berührungsängste zur AL haben wir nicht. Koalitionen sind Lernprozesse, da muß es gemeinsame gesellschaftliche Reformprojekte geben, eine Bereitschaft von beiden Seiten aufeinanderzuzugehen. Die ist bisher unzureichend gegeben. Dem Diepgen–Senat wird keine allzu lange Lebensdauer gegeben. Ist die SPD darauf vorbereitet? Das hängt u.a. auch davon ab, was die beiden Oppositionsparteien machen, ob sie sich bewegen und ob es ihnen gelingt, die Hegemonie der Regierungsparteien zu durchbrechen. Die Skandallage der Stadt reicht nicht aus. Deshalb kann ich für die Berliner Wahlen 1989 weder in Richtung AL noch FDP was sagen. Das wäre pure Spekulation. Was empfehlen Sie dem Kanzlerkandidaten Rau? Noch entschlossener weiter zu machen als bisher. Interview: bmm