Aktion „Fluchtburg“ für Flüchtlinge

■ In der Insel–Stadt begann eine Kampagne gegen Abschiebungen in den Libanon: Praktische Solidarität bis hin zum Verstecken von Asylbewerbern / FDP droht der AL und der evangelischen Kirche

Aus Berlin Vera Gaserow

Am Kurfürstendamm, wo Tausende von Vorweihnachtseinkäufern nachdrücklich unter Beweis stellten, daß der Wohlstand in der Bundesrepublik trotz aller „Asylantenströme“ fröhliche Urständ feiert, begann am Sonnabend in Berlin eine Pro–Flüchtlingskampagne, die in der Stadt in den nächsten Wochen noch für Aufsehen sorgen wird. Denn bei dieser von der AL unter dem Namen „Fluchtburg Berlin“ initiierten Kampagne geht es darum, abschiebungsbedrohte Asylbewerber bis hin zum Verstecken in der Wohnung der Helfer zu unterstützen. Anlaß für die Kampagne ist der im Oktober vom Berliner Parlament aufgehobene Abschiebestopp in den Libanon. Dadurch sind rund 500 libanesische Flüchtlinge von einem gewaltsamen Rücktransport bedroht. Eine Gruppe libanesischer Frauen mit ihren Kindern war es deshalb am Sonnabend auch, die die Auftaktdemonstration dieser Kampagne auf dem KuDamm anführte. Mit rund 1.000 deutschen und ausländischen Demonstranten war die Beteiligung jedoch enttäuschend gering. Im Gegensatz dazu sind die ersten Vorbereitungen zu dieser Kampagne überraschend positiv angelaufen. Zu einer Auftakt– Veranstaltung am vergangenen Donnerstag waren allein rund 700 Besucher in das Berliner „Quartier Latin“ gekommen, und erstaunlich viele haben sich auf den Aufruf der AL hin zu praktischer Hilfe für die Flüchtlinge bereit erklärt, sei es in Form von Geldspenden oder persönlicher Hilfestellung bei den Gängen zur Auslän derpolizei. Etwa 100 Menschen haben bisher sogar schriftlich zugesagt, Flüchtlinge in der Wohnung zu verstecken. In der Praxis dürfte diesaber auch eine Reihe von Problemen mit sich bringen. Bei den libanesischen Flüchtlingen handelt es sich oft um Großfamilien, für die es schwer sein dürfte, eine gemeinsame Unterkunft zu finden. Außerdem müssen die Versteckten auch finanziell versorgt werden, denn zum Sozialamt können sie nicht mehr gehen. Bei den politischen Parteien hat die „Fluchtburg–Kampagne“ Wirbel ausgelöst. Der auländerpolitische Sprecher der FPD, Lange, erklärte, Parlament und Justiz könnten solche „eindeutigen Rechtsbrüche“ wie das Verstecken von Flüchtlingen nicht durchgehen lassen. Es müsse überprüft werden, ob eine Partei wie die AL noch den „Schutz unserer Verfassung verdiene“. Von der evangelischen Kirche, die sich teilweise ebenfalls zur Aufnahme von Abschiebungsbedrohten bereit erklärt hat, fordert die FDP, sich klar von der „Fluchtburg– Kampagne“ zu distanzieren. Die Berliner Ausländerbehörde setzt indessen - wie zur Begründung für die Kampagne - ihre Abschiebungspraxis fort. Letzte Woche holte sie einen aus dem Flüchtlingslager Shatila stammenden jungen Palästinenser unter Vortäuschung eines Gerichtstermins ab und setzte ihn sofort in ein Flugzeug nach Beirut. Am Donnerstag steckte die Ausländerpolizei eine 26jährige Libanesin in Abschiebehaft, die sich seit September in Berlin versteckt hielt, und über deren Bleibeantrag die Menschenrechtskommission am ersten Dezember beraten wollte.