„Wir machen uns selbst eine Vision“

■ Parteitag der Berliner SPD wählte Landesvorsitzenden / Mietpreisbindung als Haupt–Thema

Aus Berlin Mechthild Küpper

Walter Momper (41) meint es ernst mit dem Sparen. Immer wieder kletterte er während des SPD– Landesparteitags aufs Podium, sagte die Summe der Spenden durch, nannte die Zahl derer, die ihre Parteibeiträge über Einziehungsverfahren vom Konto buchen lassen. „Teure Tagungsräume“ wie den klimatisierten Saal im ICC werde man sich nicht mehr leisten können, annoncierte er. Diese haushälterische Strenge lohnte ihm die Berliner Sozialdemokratie mit einem ausgesprochen guten Abstimmungsergebnis: 174 von 229 Delegierten wählten Walter Momper, seit anderhalb Jahren Fraktionschef der SPD, zum Landesvorsitzenden. Jürgen Egert, Bundestagsabgeordneter der Berliner SPD, mußte im Sommer dieses Amt wegen Krankheit nieerlegen. Daß alle drei denkbaren Gegenkandidaten Momper den Vortritt ließen, erklärt sein gutes Ergebnis nur zum Teil. Egert etwa wählten auch seine Erzfeinde, doch zähneknirschend und mit Mißmut. Seit er ging, hieß es von allen Seiten: Walter muß es machen. Und am Samstag „machte“ Walter es. Er ist Hoffnungstäger, eben weil er letzte Wahl, einzige Wahl ist. Der Landesparteitag hatte ein harmoniespendendes Thema. Der Weiße Kreis droht. „Nein zum Weißen Kreis. SPD für Mieterschutz“ hieß das Motto. Morgens sprach der Münchner Oberbürgermeister Kronawitter über die Folgen des Weißen Kreises in München, die Anträge zur Mietpreisbindung als Dauerrecht bekamen riesige Mehrheiten. Mieten werden neben der Umweltpolitik die ersten „Kampagne–Themen“ sein, mit der die SPD sich in der Stadt wieder Gehör verschaffen will. Anders als Egert, der die „neue linke Mehrheit“ in der traditionell rechten Berliner SPD repräsentierte, erwies sich Momper, wiewohl aus dem linken Kreuzberg stammend, als eher zentristischer Franktionsvorsitzender. Vor dem Parteitag probierte er sein Drohpotential gegenüber der zerfallenden Basis: Er drohte mit Rücktritt - und erhielt prompt die Mehrheiten, die er sich ausbedungen hatte. Das Aggressive wird er seinem Wahlkampfleiter Wolfgang Nagel überlassen. Der sieht sich am Ziel seines „innerparteilichen langen Marsches“: alte Juso–Positionen zur Ware Wohnen seien nun endlich mehrheitsfähig. Immer in Gefahr, alte Flügelkämpfe neu aufbrechen zu lassen, tut sich die „neue Mehrheit“ jedoch schwer. Es ist nicht gerade beflügelnd, eine Partei von der Talsohle wegzuführen, die ihre Rolle als 30–Prozent–Partei nicht begreifen mag. Zwischen dem Image vom „rotem Filz“ und dem von heißspornigen Jusos sind die Wähler schwer zu finden. „Visionen“ hat die SPD nicht. Momper: „Wir müssen uns selbst eine Vision von dem Berlin der Zukunft machen.“ Er sprach von den „numerischen Mehrheiten“, die es herzustellen gelte. Er kündigte an, sowohl mit der FDP als auch mit der AL den Versuch zu unternehmen, „die Wähler zusammenzuführen, die einen anderen Senat wollen“. Nicht um Koalitionen ginge es, sondern darum, „miteinander politikfähig“ zu werden. Momper nannte sogar drei Bedingungen an die AL - Berechenbarkeit, Gewaltlosigkeit, Bündnistreue - die er ausdrücklich nicht als „künstliche Hürden“ verstanden wissen will. Wenn die AL sich darauf verständigen könne, „dann sehen wir weiter“. In Berlin wird Anfang 1989 gewählt. Für Visionen bleibt nicht viel Zeit.