Die ewig unsichtbare Arbeit von Müttern

■ Am Wochenende tagten auf einem Kongreß der Grünen erstmals Mütter unter dem Motto „Leben mit Kindern - Mütter werden laut“ / In den Arbeitsgruppen mit vielen Themen wurden Forderungen laut / Fazit: Es fehlt an allem

Aus Bonn Maria Neef–Uthoff

Irgendwoher hört man das Lied von den küssenden Igeln, und da drinnen guckt ein Teddybär aus einem Wägelchen. Das dazugehörige Kind schlummert friedlich auf dem Schoß seiner Mutter. Wenn diese Frau ohne zusätzliche Lohnarbeit fünf Kinder großzieht, hat sie einen Rentenanspruch von 120 Mark. Um heute eine Rente von 800 Mark zu bekommen, müßte sie die Mutter von 35 Kindern sein. Solche Beispiele und massenhaft Forderungen auf Änderung konnte man vergangenes Wochenende auf einem Kongreß der Grünen hören, der bundesweit bisher einzigartig war. Über 500 Frauen, die mehr als 200 Kinder mitbrachten, kamen in der Gesamtschule Bonn/Beuel zusammen, um die ewig unsichtbare Arbeit von Müttern in den Vordergrund zu rücken. Mütter, als eine gesellschaftliche Gruppe, die es mehr als nötig hätte, sich zusammenzuschließen und Druck auf die Politiker auszuüben, sind bisher politisch unauffällig geblieben. Schon die Vorstellung einer geballten Mütter–Ansammlung löst bei den meisten Menschen - mich eingeschlossen - das Gefühl von Miefigkeit, Jammerigkeit, Klammerigkeit und Inaktivität aus. Da haben klebrige Plätzchenkrümel und Kleckse auf dem Busen ein Mutterbild geformt, das Intellektualität von vorneherein ausschließt. So gab es auch im Vorfeld des Kongresses schon bezeichnende Schwierigkeiten. Die Mütter, die bei einer der vergangenen Bundesfrauenkonferenzen der Grünen eine Resolution für einen solchen Kongreß verabschiedet hatten, stießen auf Widerstand in der Partei. Nicht ausschließlich für Mütter sollte der Kongreß geplant werden. „Lebensentwürfe von Frauen“ und darin für die Mütter auch eine Gruppe, lautete das Angebot. Zähes Ringen um Formulierungen, kleine Kompromisse und das sicherlich nicht von der Hand zu weisende Argument, daß hier Neues versucht werde, und zwar mit einer Zielgruppe, die sonst nur von den etablierten Parteien berücksichtigt wird - wenn auch nur verbal - brachten schließlich den gewünschten Erfolg. Die endgültige Formulierung hieß jetzt „Leben mit Kindern / Mütter werden laut“. Aber so richtig laut waren jetzt weder die Mütter noch die Kinder, die, übrigens sehr gut betreut, ihre Mütter auch über längere Zeiträume alleinlassen konnten. In den 22 Arbeitsgruppen, mit einem Überangebot an Themen vom Wohnen bis Tschernobyl, von Reproduktionstechnologie bis zu den behinderten Kindern, von Schwangerschaft bis zur Weiblichkeit, wurde diszipliniert gearbeitet, ein bißchen gejammert und geklagt und gefordert, gefordert, gefordert. Generelle Arbeitszeitverkürzung, existenzsicherndes Erziehungsgeld, qualifizierte öffentliche Kinderbetreuung, Flexibilisierung der Arbeitszeit, Aufwertung des Ehegatten–Splittings, Einrichtung von Mütter– Zentren, Beratungsstellen, Wegfall des Subsidiaritätsprinzips. Wenn Mütter sich des Mangels bewußt werden, zeigt es sich, daß es an allem fehlt. Deswegen bleiben die Forderungen allgemein und die Vorstellungen von direkten Schritten vage, dunkel und leise. Sind Kinder erst mal da, dann hat das Leben der Frau einen radikalen Wandel durchgemacht. Deprimierend ist dabei die Rolle der Väter. Auch in den Ländern, die ausreichenden Elternurlaub bei Erhalt des Arbeitsplatzes anbieten, zum Beispiel Schweden, nehmen Väter die Chance nur zu einem Drittel wahr und das nur im Durchschnitt für vier Wochen. Das ist das Ergebnis der Forschungen von Gisela Erler, Monika Jaecke und Greta Tüllmann, die sie in einer AG vorstellten. Partnerschaftsmodelle seien Sackgassen, solange es ungleiche Bezahlung gebe. Nicht weg von den Frauenberufen, müsse die Forderung heißen, denn Frauenberufe würden von Frauen gewählt, weil sie aufgrund ihrer Geschichte und Sozialisation tief drinnen auch das Bedürfnis danach hätten, sondern Aufwertung der Frauenberufe durch Anhebung der Bezahlung. Das heißt gleichzeitig: Weniger Lohn für die Männer und Arbeitszeitverkürzung für beide Partner. Frauen haben nicht nur ein Recht auf Abtreibungen, meinte Gisela Erler, sondern auch ein Recht auf Kinder. Dieses Recht werde ihnen dauernd streitig gemacht aufgrund der unmöglichen Bedingungen, unter denen Mütter arbeiten und leben. Denn Frauen wollen die Zeit nutzen, mit dem Kind zu leben, und müssen diese Zeit auch bekommen. Bei der Schlußveranstaltung am Sonntag brach der schwelende Konflikt zwischen Müttern und Nicht–Müttern auf. Die einen warfen den anderen vor, sie nicht ernst zu nehmen. Ärgerliche Mütter, die der Meinung sind, daß Frauen ohne Kinder zu wenig hilfsbereit sind. Die Frauen ohne Kinder dagegen forderten die Mütter auf, Männer und Väter einzuspannen. Daraufhin meinte eine Mutter, sie sei froh, daß dieser Kongreß ohne Angriffe auf die Männer stattgefunden hätte.