Das Rheinufer wird zur Gefahrenzone

■ Erneuter Giftalarm wegen Einleitung eines Insektenvernichtungsmittels von BASF in den Rhein / Wasserentnahme gestoppt / Anwohner sollen Uferstreifen meiden / 1.000 Liter Chemie in den Main geflossen / Phosgenwolke im Schweizer Kanton Aargau

Berlin (dpa/ap/taz) - Nach dem Auslaufen eines Unkrautvernichtungsmittels aus einem Werk des Chemiekonzerns BASF bei Ludwigshafen hat der nordrhein– westfälische Umweltminister Matthiesen zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen die Schließung aller rheinnahen Wasserwerke angeordnet. Geraten wird den Rheinanwohnern nun auch, den Uferstreifen zu meiden. Vieh dürfe nicht mehr aus dem Rhein getränkt werden, Hunde sollen nicht frei herumlaufen. Wie am Wochenende bekannt wurde, hat es in den letzten Tagen weitere Chemieunfälle gegeben. Am Samstag flossen 1.000 Liter mit chemischen Substanzen verunreinigtes Wasser aus einem Werk im oberfränkischen Michelau in den Main. Bekannt wurde außerdem, daß schon am 12. November Chlorbenzol aus einem Forschungszentrum der Hoechst AG bei Kelsterbach in den Main gelangten. Fortsetzung auf Seite 2 Im schweizerischen Zofingen im Kanton Aargau war am Samstag aus einer Produktionsanlage eine Phosgengaswolke ausgetreten. Phosgen wurde im ersten Weltkrieg als Kampfgas verwendet. Bedeutend schwerwiegender als von BASF zunächst zugegeben ist der Chemieunfall von Ludwigshafen. Nicht 1.000, sondern 2.000 Liter der Dichlorphenoxyessigsäure sind in den Rhein geflossen. Anders als die BASF gehen das NRW–Umweltministerium und auch das Bundesgesundheitsamt in Berlin davon aus, daß es Monate dauern wird, bis die Substanz biologisch abgebaut werden kann. In NRW und auch in Rheinland– Pfalz wurden bis zu 100 Mikrogramm pro Liter des Giftes gemessen, womit der zulässige Grenzwert um das Tausendfache überschritten wurde. Möglicherweise sind mit der Säure weitere, bisher unbekannte giftige Stoffe in den Rhein gelangt. NRW–Minister Matthiesen bezeichnete den neuen Vorfall als „unerträglich“. In schöner Offenheit machte der BASF–Sprecher Jakob die Prioritäten des Chemiegiganten klar: „Eine Schnellabschaltung ist nicht zu verantworten.“ SPD–Kanzlerkandidat Rau forderte inzwischen ein neues Haftungsrecht, daß das Eigeninteresse der Chemieproduzenten wecke und es erst gar nicht zu Umweltschäden kommen zu lasse. Wegen des Chemiestörfalles im hessischen Kelsterbach, bei dem am Samstag bis zu 50 kg Chlorbenzol in den Main gelangt sind, ist nach Angaben des Sprechers des hessischen Umweltministers Fischer, Georg Dick, Strafanzeige gegen die Hoechst AG erstattet worden. Dieser Störfall war erst durch Hinweise der Initiative „Maa– Gucker und Maa–Schnüffler“ bekannt geworden. Während über die Gefährlichkeit der im fränkischen Michelau in den Main gelangten Stoffe noch keine näheren Angaben vorliegen, zeigen sich jetzt weitere Folgen der Gifteinleitungen durch die Firmen Sandoz und Ciba Geigy in Basel. In vier Gemeinden im Oberelsaß darf Babynahrung nicht mehr mit Leitungswasser zubereitet werden, nachdem im Grundwasser Spuren von Insektenvertilgungsmitteln entdeckt worden sind. In der Gemeinde Ottmarsheim sind Atrazin–Konzentrationen bei Trinkwasseranalysen entdeckt worden. Inzwischen hat der schweizerische Sandoz–Konzern bekanntgegeben, daß man die Quecksilberproduktion am Monatsanfang einstellen werde. Die Produktion zur Herstellung von Insektiziden werde man in dem vom Brand betroffenen Werk Muttens um 60 Prozent reduzieren. Von der Phosgenwolke, die im schweizerischen Zofingen ausgetreten war, geht nach bisherigen Erkenntnissen keine Gefährdung der Bevölkerung aus. Keine Gefahr stelle auch die Chlorbenzoleinleitung in den Main vom 12. November dar. ger Für unsere Bonn - Redaktion suchen wir eine Redakteurin. Berufserfahrungunbedingt erforderlich. Bewerbungen mit dem Üblichen an taz Bonn Kurt - Schuhmacherstr. 1, 5300 Bonn 1