Der Yuppie Haider und die Dame Meissner–Blau

■ Lange Gesichter bei den Sozialisten und Konservativen / Freude bei den Grünen / Freda Meissner–Blau konnte Protestwähler nicht für die Alternativen mobilisieren / Eigentlicher Sieger der Wahlen in Österreich ist Jörg Haider

Aus Wien Antje Bauer

Bei den Wiener Grünen herrschte am Sonntag abend Hochstimmung. In einem verräucherten Saal drängte sich die Wiener Freakszene. Die weißhaarige alte Dame Freda Meissner–Blau saß etwas erschöpft im Kreise ihrer Sympathisanten. In die Freude der Grünen, die zum ersten Mal mit gleich acht Mandaten ins Parlament einziehen, mischen sich allerdings einige Wermutstropfen. Günter Nenning, der die Grünen unterstützt, jedoch letzten Endes nicht für sie kandidiert hatte, wiegte dann auch im Hauptquartier der Gruppe bedenklich den Kopf. „Sie sind von innen her nicht so stark“, meinte er in Anspielung auf die Zerreißprobe, die die Grünen Anfang Oktober erlebt hatten und die in Wien zur Aufstellung einer Konkurrenzliste geführt hatte. Wenn auch Andrea Komlosy vom linken Flügel, die Spitzenkandidatin dieser Liste, kein Mandat erhalten hat, sind doch damit die selbstzerstörerischen parteiinternen Auseinandersetzungen noch nicht aus der Welt. Auch sonst haben die Grünen keinen leichten Stand. Die SPÖ des Kanzlers Franz Vranitzky, die mit achtzig Abgeordneten (43 Prozent) im Nationalrat vertreten sein wird und die 76 Abgeordneten (41 Prozent) der konservativen ÖVP von Alois Mock brauchen nach ihrer Elefantenhochzeit die acht Grünen (4,63 Prozent) im Parlament kaum zur Kenntnis nehmen. Vor allem jedoch mußte Freda Meissner–Blau sich von Journalisten fragen lassen, wiesoyes der rechtsnationale Jörg Haider, seit gerade zehn Wochen vorsitzender der freiheitlichen Partei (FPÖ) steht, besser schafft, die Protestwähler an sich zu ziehen als die Grünen. Etwas hilflos wirkte die Antwort der eleganten alten Dame, die Menschen seien schon immer den Demagogen gefolgt. Der rotbackige, dynamische Haider gab sich auch diesmal, wie schon während des Wahlkampfes, biedermännisch und wies den Ausdruck „Demagoge“ mit der Bemerkung zurück, das sei eine Beleidigung seiner Wähler. Jörg Haider, der die Stimmenzahl für die FPÖ von 5 Prozent auf fast 10 Prozent verdoppeln konnte und 18 Mandate für seine Partei eroberte, war am Nachmittag in seiner Parteizentrale ein triumphaler Empfang bereitet worden. Im Blitzlichtgewitter war er am Arm seiner steif dreinblickenden Gattin dort eingezogen und hatte verkündet, er werde die beiden großen Parteien im Parlament vor sich hertreiben. 24 Prozent seiner Wähler hatte der charismatische Jungstar von der SPÖ geschöpft, 18 Prozent von der ÖVP. Sein Ruf nach Reformen für den „kleinen Mann“, nach „Abbau von Privilegien und Entflechtung der Bürokratie“, war einer Wähleranalyse vom Sonntag zufolge vor allem in den wirtschaftlichen Krisengebieten erfolgreich. In der SPÖ–Zentrale war der Wahlcomputer seit dem frühen Nachmittag umlagert gewesen. Erschreckte Gesichter ob des Erfolgs der FPÖ, obwohl es unter den Sozialisten einen Flügel geben soll, der auch mt einer rechtsnationalen FPÖ noch koalieren würde. Der kleine Ex–Kanzler Sinowatz schaute mal vorbei und äußerte seine Beunruhigung über die Freiheitlichen, Journaille und Politiker im schwarzen Anzug und Festkleid spekulierten über die Besetzung der Ministersessel. Alois Mock hat es mal wieder nicht geschafft, die ÖVP zur stärksten Partei zu machen, sondern Federn an die FPÖ und an die Grünen verloren. Eine bittere Bilanz. Dementsprechend lang waren die Gesichter in der noblen Parteizentrale. Doch wenn Mock dann in der Hofburg auch die SPÖ schmähte und Haider die Korruptheit aller Parteien mit Ausnahme der seinigen herausstellte, wird doch jetzt das poltitische Tauziehen beginnen - Große Koalition ÖVP/FPÖ - ausgeschlossen sind mit Sicherheit nur die Grünen.